Das Zeitalter der Fuenf 02 Magier
einem Mal schärfer geworden. »Und für seine Güte? Was würdest du tun, wenn er etwas von dir erwartete, was du für Unrecht hältst?«
Rian lehnte sich an die Reling und unterdrückte ein Lächeln. Hierbei ging es um Auraya, vermutete er. »Keine Aufgabe ist unrecht, wenn die Götter sie von uns verlangen.«
»Selbst wenn sie den Gesetzen und Prinzipien widerspräche, die zu befolgen sie uns ermutigt haben?«
»Sie müssen ihre Gründe dafür haben, wenn sie sich selbst widersprechen. Es gibt immer Umstände, unter denen Gesetze flexibel gehandhabt werden dürfen.«
»Und was ist, wenn dies keiner dieser Umstände wäre?«
»Dann würde ich daraus den Schluss ziehen, dass ich die wahren Umstände nicht kenne. Wenn die Götter keinen Grund angeben, warum sie gegen ihr Gesetz verstoßen, muss ich zu dem Schluss kommen, dass sie es nicht können. Ich würde darauf vertrauen, dass ihre Entscheidung die richtige ist.«
Juran runzelte die Stirn und rieb sich das Kinn. »Du würdest also nicht von ihnen verlangen, dass sie dir ihre Gründe zur Gänze offenbaren?«
»Nein.«
Rian beobachtete, wie Juran mit den Fingern auf seinen Arm trommelte und nachdenklich dreinblickte. Von den vier Weißen war Juran der Einzige, der religiöse Debatten schätzte. Dyara hatte nicht die Geduld für das, was sie »fruchtlose Spekulation« nannte, und bei den wenigen Gelegenheiten, da Rian versucht hatte, Mairae in ein solches Gespräch zu ziehen, hatte sie sich anscheinend unwohl gefühlt. Er hatte sich nicht darum bemüht, mit Auraya zu reden. Obwohl sich in der Vergangenheit einige Male die Gelegenheit geboten hätte, hatte er sie jedes Mal verstreichen lassen. Sie machte keineswegs den Eindruck, dass sie nicht interessiert sei - ganz im Gegenteil. Aber er argwöhnte, dass er sich ihren Meinungen nicht würde anschließen können.
»Haben die Götter jemals eine Entscheidung getroffen, mit der du nicht einverstanden warst, die du aber akzeptiert hast, nur weil du auf ihre Weisheit vertraust?«, fragte Juran langsam.
Rians Herz setzte einen Schlag aus. Sollte er das zugeben? Bevor er sich entscheiden konnte, lächelte Juran.
»Ich denke, dein Zögern lässt darauf schließen, dass etwas Derartiges schon geschehen ist.«
Rian nickte knapp. »Aber ich habe später die Weisheit ihrer Entscheidung begriffen.«
Jurans Augen wurden schmal. »Und du möchtest mir nicht erzählen, um was für eine Entscheidung es sich gehandelt hat.«
Zuerst schüttelte Rian den Kopf, aber dann besann er sich noch einmal. Im Lichte der jüngsten Ereignisse könnte es von Bedeutung sein, dass Juran von dieser kleinen Angelegenheit erfuhr.
»In der Vergangenheit wäre es schäbig von mir gewesen, darüber zu sprechen, aber jetzt könnte es sich als wichtig erweisen.«
»Ja?«
»Ich war gegen Aurayas Auserwählung.«
Jurans Augenbrauen schossen in die Höhe. »Aber du hast gerade gesagt, dass du später die Weisheit dieser Entscheidung erkannt hast.«
»Ja, Auraya hat sich als nützlich erwiesen.«
»Du sprichst in der Vergangenheit.«
Rian zuckte die Achseln. »Ich kann nicht in die Zukunft schauen. Ich weiß nicht, ob sie auch weiterhin nützlich sein wird.«
»Das klingt beinahe so, als sei sie in deinen Augen... verzichtbar«, sagte Juran nachdenklich.
»Das war nicht meine Absicht.«
Juran wandte den Blick ab und seufzte. »Sie ist erst seit einem Jahr bei uns. War es zu viel von ihr verlangt, Mirar zu töten?«
Rian runzelte die Stirn. »Welche zeitliche Grenze würdest du für den Gehorsam gegen die Götter vorschlagen? Sie hat ihnen an dem Tag, an dem sie auserwählt wurde, geschworen, ihnen zu dienen - und schon früher: an dem Tag, an dem sie Priesterin wurde.«
Juran kaute auf seiner Unterlippe. »Das Ablegen dieses Schwurs bedeutet nicht, dass seine Erfüllung leicht ist.«
»Sie hat Kuar getötet.«
»Ich muss mich fragen, ob Mirar sich nicht ohnehin abermals erholen würde. Wir wissen nichts über seine Kräfte.«
»Ich werde seinen Leichnam zu Asche verbrennen und diese Asche in der ganzen Welt verstreuen«, versicherte Rian ihm. »Ich bezweifle, dass er sich davon erholen wird.«
Juran sah ihn mit undeutbarer Miene an. »Und was sollten die Götter deiner Meinung nach mit Auraya tun?«
Rian hielt inne und runzelte die Stirn. »Sie hat ihnen den Gehorsam verweigert. Vielleicht hat sie aus Verwirrung oder Unentschlossenheit gezögert, aber sie haben ihr eine zweite Chance gegeben, und sie hat ihnen abermals getrotzt.
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