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Das Zimmermaedchen

Das Zimmermaedchen

Titel: Das Zimmermaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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vertilgt hungrig die Pizza, lässt sich in den Sessel fallen, zündet Zigarette an, pafft, betrachtet vom Sessel aus ihr Werk.
    Lynn hält die neue Ruhe nicht lange aus, sie muss weiter tun, es gibt noch unendlich viel, sie weiß genau, dass sich nichts geändert hat seit ihrem Klinikaufenthalt, sie weiß genau, wie wichtig es ist, eine Aufgabe zu haben und dass sie Gefahr läuft, einen Rückfall zu erleiden, wenn sie nichts tut, wenn sie nur rumhängt, wenn die Fülle Freizeit sie zum Nachdenken und das Nachdenken sie zum Gefühl der Sinnlosigkeit und das Gefühl der Sinnlosigkeit sie zur Suche nach dem Reiz und die Suche nach dem Reiz sie zum Verbotenen treibt, so lange, bis sie nicht mehr anders kann, als loszuziehen und das Verbotene zu tun. Sie muss weiter ins Handeln flüchten, verlässt die Wohnung, die Treppe runter, ihre Turnschuhe hat sie nicht ausgezogen während des Putzens, die Hitze der Füße wird unangenehm, Lynn geht schnell. Die Welt draußen, hat Lynn gedacht, als sie gestern noch in der Klinik saß und aus dem Fenster blickte, die Welt draußen, wenn sie mich wiederhat, ob sie mich einsaugt und verschluckt, so, wie sie es immer getan hat? Ob sich was ändert? Oder ob alles so weitergeht wie vor dem halben Jahr? Ein halbes Jahr? Als ob das Jahr in der Mitte durchtrennt wird, denkt Lynn. Mit einem Hackbeil. Halbes Schwein, halbes Jahr. Blutet beides, wenn man’s trennt. Blutet auch in mir, wenn ich dran denke, ans halbe Jahr, man hat alles falsch verstanden, man hat vor allem mich falsch verstanden, als Patient bin ich nur wandelnde Akte, man hört mir nicht zu, es kommt alles daher, dass man mir nicht zuhört, und sage ich etwas, das nicht zu den Akten passt, heißt es gleich, Sie wollen es nicht wahrhaben, Sie wollen es verdrängen, Sie wollen sich nicht stellen, Sie müssen den Blick schärfen, das ist nichts Schlimmes, das kriegen wir geheilt, das hat einen Namen, Sie müssen’s zugeben, dazu stehen, es annehmen, und ich sage, da gibt’s nichts anzunehmen, das ist alles anders, als Sie denken, doch sie nicken nur bedächtig und machen eine Notiz, wahrscheinlich: Widerstand. Aber ich hab ihn aufgegeben, den Widerstand, keinen Zweck, dem zu widerstehen, was man in mir sehen will, Widerstand bröckelt, bricht, Widerstand verliert Stand, steht nicht mehr, kommt zum Erliegen, hat sich gelegt, Widerstand liegt.
    Jetzt die Kontoauszüge. Lynn steht in der Bank, zückt die Karte, schiebt sie ein, 1006,56 Soll. Nichts mehr abhebbar. Keine Arbeit mehr, kein Geld mehr, Mutter will sie nicht fragen, denn die zahlt schon die Miete. Trotzdem zur Telefonzelle.
    »Bin wieder zu Hause.«
    »Schön, dass du anrufst«, sagt Mutter.
    »Ja.«
    »Wie geht’s, ich meine, was …«
    »Gut, geht gut.«
    »Brauchst du was?«
    »Nein, nichts.«
    »Besuchst du mich mal?«
    »Ist ne lange Strecke, keine Ahnung, muss mich erst wieder eingewöhnen, Arbeit suchen.«
    »Brauchst du Geld?«
    »Nein, nein.«
    »Kommst du klar?«
    »Und du? Alles in Ordnung?«
    »Mir geht’s gut so weit.«
    »Der Garten?«
    »Ja, das fängt jetzt an.«
    »Hör zu, ich muss auflegen, hab kein Kleingeld mehr.«
    »Was ist mit dem Telefon?«
    »Das geht bald wieder.«
    »Du kannst ruhig sagen, wenn …«
    »Nein, ist gleich zu Ende, Mutter. Meld mich am Donnerstag.«
    »Mach’s noch.«
    »Mach’s noch.«
    Immer dieses Mach’s noch, denkt Lynn und legt auf. Was soll das Mach’s noch? Mach’s gut, müsste es heißen, Mutter sagt immer nur Mach’s noch, und Lynn auch, aber nur zur Mutter.
    Und jetzt? Lynn könnte die nächsten Tage versuchen, was alle versuchen, könnte ihren Zeitungsekel überwinden und Zeitungen wälzen, könnte mit Fingerkuppe Stellenanzeigen entlangfahren, könnte Telefonnummern rausschreiben und von der Telefonzelle aus mit ihren Restkröten die Nummern wählen, könnte sich Absagen einhandeln, könnte im Internetcafe surfen, könnte das Arbeitsamt aufsuchen, könnte Aushänge machen an den Schwarzen Brettern der Stadt, könnte bei der Jobvermittlung vorbeigehen, könnte dieses oder jenes tun, aber sie weiß, dass es nur Zappeln wäre, sie weiß, dass sie nur eine einzige Chance hat: Früher oder später wird sie bei Heinz enden, sie wird Heinz aufsuchen müssen, es ist unausweichlich, es lässt sich nicht umgehen, denkt Lynn. Ihr Entschluss steht fest. Sie zerquetscht die Zigarette.
    Lynn weiß genau, was er will. Sie weiß genau, wie er funktioniert. Springt auf gewisse Sprache an, nur diese paar Worte, die sich mit

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