Das zweite Vaterland
noch im Kajak, dort… in der Perlenbucht, dann trafen wir die Pinasse und segelten alle vereint nach Felsenheim. Zwei glückliche Jahre sind mir mit Dir bescheert gewesen, voller Freude und Befriedigung über unser stilles, durch nichts gestörtes Leben. Wir waren so glücklich in unseren beschränkten Verhältnissen, daß die Welt außerhalb unserer Insel für uns gar nicht existirte. Wenn es nicht um Deines Vaters willen gewesen wäre, liebste Jenny, so wären wir wohl nicht mit der »Licorne« fortgefahren, hätten wir die Neue Schweiz vielleicht niemals verlassen…
– Wohin willst Du hinaus, lieber Fritz? fragte Jenny, die ihre Erregung zu bemeistern suchte.
– Ach, ich will Dir nur offenbaren, wie bedrückt ich mich im Herzen fühle, seit das Unglück sich gegen uns verschworen hat. Ja, mich martern Gewissensbisse, Dich dazu verleitet zu haben, es mit mir zu theilen.
– Dieses Unglück, antwortete Jenny, solltest Du nicht so sehr fürchten. Darf sich denn ein Mann voll Muth, ein Mann voll Thatkraft der Verzweiflung hingeben?
– Laß mich vollenden, was ich Dir sagen wollte, Jenny. Weit da draußen war eines Tages die »Licorne« im Gewässer der Neuen Schweiz erschienen. Sie ist auch zurückgesegelt und hat uns nach Europa gebracht. Seitdem hat das Unglück Dich unaufhörlich verfolgt. Dein Vater war gestorben, ohne seine Tochter wiedergesehen zu haben…
.. – Mein armer, guter Vater! schluchzte Jenny, sich ihrem Schmerz überlassend. Ja, die Freude, mich in seine Arme zu drücken, ist ihm versagt geblieben, und auch die, meinem Retter dadurch zu danken, daß er unsere Hände ineinander legte… Gott hat es nicht gewollt, Fritz, ihm müssen wir uns fügen!
– Ja gewiß, mein Herz, erwiderte Fritz, doch Du… Du befandest Dich wieder in England, hattest Deine Heimat wiedergesehen… Du konntest dort bei einer Verwandten bleiben, dort die Ruhe finden und das Glück…
– Das Glück? unterbrach ihn Jenny. Ohne Dich, Fritz?
– Und dann, meine Jenny. hättest Du jede neue Gefahr vermieden nach der, der Du wie durch ein Wunder entronnen warst. Und dennoch hast Du Dich bereit erklärt, mir zu folgen, nach unserer Insel zurückzukehren…
– Du vergißt wohl ganz, daß ich Dein Weib bin, Fritz! Hätte ich denn zaudern können, Europa zu verlassen, um da draußen die wiederzusehen, die ich liebe, Deine Familie, Fritz, die ja inzwischen auch die meinige geworden ist?
– O, Jenny, Jenny, es ist darum nicht minder wahr, daß ich Dich in neue Gefahren geführt habe, in Gefahren, an die ich nur mit Entsetzen denken kann… ja, mit Entsetzen, wenn ich mir die Lage vorstelle, in der wir uns befinden! Und Du, Du hattest doch Deinen Antheil an Prüfungen dieser Welt schon reichlich überstanden! O, die Elenden, die an unserem Unglück schuld sind.. die uns verlassen und ausgesetzt haben… die Dich, schon ein Opfer des schiffbrüchigen »Dorcas«, auf ein unbekanntes Land geworfen haben, das noch weniger bewohnbar erscheint, als der Rauchende Fels!
– Ich bin hier aber nicht allein, bin bei Dir, mein herzliebster Mann, bei Deinem Bruder und unseren Freunden, bei entschlossenen Männern, und ich zittere vor den gegenwärtigen Gefahren ebenso wenig, wie vor zukünftigen. Ich weiß, Du wirst alles thun zum Heile aller!
– Alles, mein geliebtes Weib, rief Fritz; doch obwohl der Gedanke, daß Du mit hier bist, meinen Muth verdoppeln müßte, bedrückt mich dieser Gedanke doch gar so sehr, und ich möchte Dir zu Füßen sinken, Dich um Vergebung anflehen! Es ist ja meine Schuld, daß…
– Fritz, fiel die junge Frau, sich ihren Gatten ans Herz werfend, ein, kein Mensch konnte doch voraussehen, was da vorgefallen ist… eine Meuterei an Bord… die Folgen dieser Empörung, auch nicht unsere Aussetzung auf offenem Meere. Ist es nicht besser, die traurigen Erlebnisse zu vergessen und die Augen auf die glücklichen zu richten? Wir konnten von den Meuterern der »Flag« hingemordet, konnten verurtheilt werden, in unserer Schaluppe alle Qualen des Hungers und Durstes auszukosten; wir konnten in einem Sturme umkommen, und doch ist das alles nicht geschehen! Wir haben vielmehr ein Land erreicht, wo es doch nicht an allen Hilfsquellen fehlt und das uns ein hinreichendes Obdach bietet. Wissen wir jetzt noch nicht, welches dieses Land ist, so werden wir das doch zu ergründen suchen, und es auch wieder zu verlassen, wenn das nothwendig wird…
– Um wohin zu gehen, meine arme Jenny?
– Anderswohin, wie unser
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