Das zweite Vaterland
colonialen Erweiterung zu thun! Eine Insel, reich an allen Thieren und Pflanzen der Tropenzone… eine Insel, die so vortheilhaft weit draußen im Indischen Meere liegt, so bequem zur Vermittlung des Handelsverkehres zwischen dem äußersten Asien und dem Großen Ocean…
– Aha, unser Jack geht schon wieder durch. als ob er auf Brummer oder Leichtfuß ritte! spöttelte Herr Wolston.
– Nun, Ernst, fragte Annah, was ergiebt sich denn Ihrer Berechnung nach bezüglich der »Licorne«?
– Die Corvette wird spätestens in den ersten Tagen des Juli absegeln, um unsere Lieben und die Colonisten, die sich diesen zu folgen entschlossen haben mögen, hierher zurückzuführen. Da sie dann am Cap einmal Halt macht, meine liebe Annah, wird sie daselbst wahrscheinlich bis Mitte August vor Anker liegen, und ich erwarte kaum, sie vor Mitte October auf der Höhe des Caps der Getäuschten Hoffnung erscheinen zu sehen.
– Noch vier endlose Monate! murmelte Frau Zermatt. Welche Geduldsprobe, wenn man daran denkt, daß die, die unserem Herzen so theuer sind, auf dem Meere schwimmen!… Gott halte seine schützende Hand über sie!«
Wenn die mit den häuslichen Arbeiten überhäuften Frauen jetzt keine Stunde verloren, darf man nicht etwa glauben, daß die Männer müßig gegangen wären. Sehr häufig dröhnten die Hammerschläge aus der Schmiede oder hörte man das Schnurren der Drehbank. Wolston, als geschickter Mechaniker, verfertigte unter Mithilfe des älteren Zermatt, zuweilen der Ernsts, nur selten aber der Jacks – der, sobald sich der Himmel nur im mindesten klärte, sofort ins Freie eilte – allerlei nützliche Gegenstände zur Vervollständigung der Versorgung Felsenheims mit allem, was je nothwendig werden oder erwünscht sein konnte.
Sehr eingehend besprochen und zuletzt beschlossen wurde auch die Errichtung der geplanten Kapelle. Die Frage wegen des Platzes für diese gab zu einigen Verhandlungen Anlaß. Die einen wollten sie mit der Vorderseite nach dem Meere gerichtet und auf dem Felsenboden am Ufer, auf halbem Wege zwischen Felsenheim und Falkenhorst erbaut wissen, um dahin von beiden Wohnstätten aus keinen zu weiten Weg zu haben. Die anderen meinten, sie läge da den Stürmen von der Seeseite her zu sehr ausgesetzt und es wäre rathsamer, sie am Schakalbache, unterhalb des Wasserfalles, zu errichten. Frau Zermatt und Frau Wolston behaupteten aber mit Recht, daß diese Stelle zu weit abgelegen sei. So entschied man sich schließlich dahin, sie jenseit des Gemüsegartens und an einem Platze zu erbauen, wo sie durch die felsigen Höhen der Umgebung recht gut geschützt sein mußte.
Wolston bestand übrigens darauf, zu dem Bauwerke festeres und dauerhafteres Material als Holz und Baumstämme zu verwenden. Gestein gab es hier ja mehr als genug; man konnte auch kleinere Felsblöcke vom Ufer benützen, wie man das an den Bauten in Stranddörfern so häufig findet. Den nöthigen Kalk würden Muschelschalen oder die massenhaft vorkommenden Baumkorallen liefern, die sich durch Ausglühen, zur Abscheidung der Kohlensäure, in Kalk verwandeln ließen.
Sobald die Witterung es gestattete, sollte diese Arbeit begonnen werden, und binnen zwei bis drei Monaten konnte sie jedenfalls zur allgemeinen Befriedigung beendigt sein.
In der Mitte des Juli, auf der Höhe der Regenzeit dieser Breite, erreichten die atmosphärischen Störungen eine verdoppelte Heftigkeit Meist war es ganz unmöglich, sich ins Freie zu wagen. Schwere Regenstürme peitschten das Ufer mit einer Gewalt, von der man sich kaum eine Vorstellung machen kann. Noch schlimmer, wenn kartätschengleich noch ein Hagelsturz dazu kam. Ueber das Meer wälzten sich riesige, überbrechende Wogen, deren Donner von den Aushöhlungen an der Küste widerhallte. Häufig flatterten feuchte Nebelfetzen über das Steilufer hinweg und fielen dann in dichten Tropfen am Fuße der Bäume nieder. Zuweilen kam es auch vor, daß sich unter der Zusammenwirkung des Sturmes und der Fluth eine Art Mascaret (d. i. eine mächtige, manche Flüsse hinauslaufende Woge) bildete, die sich schäumend im Schakalbache bis zum Wasserfalle hinwälzte. Der ältere Zermatt beunruhigte sich nicht wenig wegen der an den Bach grenzenden Felder. Man mußte sogar die Rohrleitung abschließen, die den Bach mit dem Schwanensee verband, da sonst die Umgebung von Waldegg von einer verderblichen Ueberschwemmung bedroht gewesen wäre. Auch die Lage der Pinasse und der Schaluppe im Hintergrunde der Bucht
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