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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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Regisseur versucht, seinen Zuschauer zu manipulieren,
     der Zuschauer versucht, die Zeichen, die ihm der Regisseur gibt, zu entschlüsseln. In den Filmen sind die beiden aber nie
     zu sehen. Obwohl
sie
es sind, um die es eigentlich geht. Zu sehen sind nur die Figuren des Films, die Schauspieler. Aber die sind nichts anderes
     als die Schachfiguren auf dem Brett.«
    Er hatte Flo angestrahlt. »Der Regisseur zieht die Figuren – und worum geht es ihm? Darum, den Zuschauer mattzusetzen! Deswegen
     müssen wir einen Film machen, in dem wir den Regisseur zeigen. Und den Zuschauer. Denn er versucht, die Spielzüge des Regisseurs
     zu antizipieren. Erst wenn diese beiden auch in dem Film zu sehen sind, ist er vollständig. Dann ist er perfekt. Verstehst
     du?«
    Flo hatte bemerkt, wie sehr Davids Wangen eingefallen waren. Er hatte nicht gewusst, was er sagen sollte. David aber war nicht
     mehr zu bremsen gewesen.
    »Und einen perfekten Film – das war es doch, was wir immer machen wollten, oder, Flo?« Er hatte gegrinst, mitgenommen von
     dem, was er gerade erlebt hatte, und doch voller Freude über das, was er sich ausgedacht hatte.
    »Na klar, David. Lass uns morgen weiterreden«, hatte Flo gemeint.
    David hatte genickt und sich mühsam im Bett umgedreht. Und Flo hatte das Zimmer verlassen und leise die Tür hinter sich geschlossen.
     
    Den Regisseur und seine Crew hatte er nun also im »Me tafilm « auftreten lassen, überlegte Flo, während er weiter durch das nächtlich stille Potsdam schritt. Nicht aber den
Zuschauer.
Hatte David den »perfekten Film« also noch nicht gemacht?
    Das durchdringende Klingeln seines Handys riss ihn abrupt aus seinen Grübeleien. Florian blieb stehen und nahm den Anruf an.
     Die Nummer auf dem Display kannte er nicht. »Ja?«
    »Herr Baumgartner?«
    »Ja?«
    Flo sah sich um. Er hatte Sanssouci inzwischen weit hinter sich gelassen und befand sich in der Nähe der Nikolai-Kirche.
    »Riemschneider hier. Schön, dass ich Sie erreiche«, hörte er die Stimme des Beamten aus seinem Handy kommen. »Ich hoffe, Sie
     entschuldigen, dass ich Sie so spät noch anrufe.«
    Flo setzte sich wieder in Bewegung. »Woher haben Sie meine Nummer?«
    »Von Ihrem Redakteur. Hölzemann? Schöne Grüße übrigens.«
    »Ah.«
    »Ich muss Sie bitten, morgen früh zu uns zu kommen, Herr Baumgartner.«
    »Und wieso?«
    »Das möchte ich morgen in aller Ruhe mit Ihnen besprechen. Sie finden mich im LKA in Tempelhof, der Pförtner zeigt Ihnen den
     Weg.«
    »Ist das wirklich unvermeidlich?«
    »Ich würde Ihnen dringend raten, meiner Bitte nachzukommen«, hörte er Riemschneider antworten.
    Flo schnaufte. Aber bevor er etwas erwidern konnte, klickte es in der Leitung.
    Riemschneider hatte aufgelegt.

30
    Eine knappe halbe Stunde später wurde Florian von dem Taxi, das er in Potsdam kurz nach dem Gespräch mit Riemschneider angehalten
     hatte, vor seinem Hotel abgesetzt.
    Müde betrat er das Foyer und ging zu den Fahrstühlen. Der Nachtportier nickte ihm freundlich zu. Flüchtig streifte Flos Blick
     die Hotelbar im Nebenraum. Sollte er noch einen nehmen? Er sah, dass an der Theke ein Mann saß, der ihm den Rücken zuwandte.
     Hinter dem Tresen, dem Mann gegenüber, stand der Barkeeper und lachte.
    »Kommen Sie, das kann doch nicht sein!«, sagte der Barmann und beugte sich mit leuchtenden Augen zu seinem Gast vor.
    Er könnte ja noch oben in seinem Zimmer etwas aus der Minibar trinken, dachte Flo und drückte die Taste, um den Fahrstuhl
     zu holen. Während er wartete, fiel sein Blick erneut auf den Rücken des Gastes in der Bar. Plötzlich durchrieselte es ihn
     kalt. Kannte er den Mann?
    Verwirrt ging er ein paar Schritte vom Fahrstuhl weg auf die Bar zu. Sein Blick fiel auf den Mantel des Mannes, auf seinen
     Hinterkopf, auf seine braunen Maßschuhe, die er auf das Querholz des Barhockers gestellt hatte. Er bemerkte die feingliedrige
     Hand des Mannes, die auf demTresen lag und ein Schnapsglas umschloss. Er registrierte, wie der Barkeeper zu ihm sah und wie sich der Mann auf seinem Barhocker
     langsam zu ihm umwandte. Schon schaute er Flo direkt in die Augen, mit einem Schmunzeln, das die Lippen umspielte, mit zwei
     ausgebreiteten, blassen Händen, die jetzt wie eine Frage vor Flo in der Luft standen, und einem Gesicht, in dem ein Hauch
     von Arroganz, aber auch von Verschmitztheit, Vergnügtheit und Unerschrockenheit lag.
    Mit einem Mal war es Flo, als presse eine Stahlklammer seine Brust zusammen, als schwanke

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