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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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spüren zu können, wenn jemand ihn anschaute, auch wenn er dem anderen den
     Rücken zuwandte. War es das? Hatte ihn jemand angeschaut?
    »Hast du eine Katze oder so was?« Er sah zu Thea, die hinter ihm stand.
    »Nein. Aber manchmal streunen die Katzen der Nachbarn hier rum.« Sie trat neben Flo. »Hast du was gesehen?«
    Er schüttelte den Kopf und machte einen Schritt hinaus auf die Terrasse. Je länger er in die Dunkelheit starrte, desto weniger
     konnte er erkennen. Die Silhouetten der Bäume, die Schatten, das Schwarz des Himmels, alles schien ineinander zu verschwimmen
     – wie ein Suchbild verschwimmt, wenn man zu lange daraufstarrt in dem Bemühen, die Figur zu entdecken, die der Maler darin
     versteckt hat.
    Plötzlich sah er sie. Eine Gestalt. Im Schatten der Bäume! »Da!«
    Thea zuckte zusammen. »Was denn?«
    Flo machte noch einen Schritt nach vorne. »Da ist was   –«
    »Bist du sicher?«
    Er kniff die Augen zusammen. Alles lag ruhig da. Hatte er sich getäuscht? Er atmete aus. »Vielleicht sollte ich mich mal richtig
     ausschlafen, ich bin völlig übermüdet.«
    Thea nickte. »Lass uns kurz nachsehen, ja?«
    Ein kalter Wind blies ihnen entgegen, als sie dicht nebeneinander durch den nächtlichen Garten schritten.
    Thea sah zu ihm hoch. »Meinst du, die Polizei ist so dreist und schleicht hier herum?«
    Flo brummte und lief weiter. Schon möglich.
    Der verwilderte Garten war wunderschön. Die Pflanzen waren kräftig und gesund, der Baumbestand teilweise uralt. Flo wandte
     sich um, um einen Blick auf die Villa zu werfen. Vom Garten aus kam ihre Fassade besonders gut zur Geltung. Im Mondschein
     sah es so aus, als würden die Stuckfiguren, die auf der Gartenseite ebenso wie auf der Straßenseite den Balkon im ersten Stock
     trugen, jeden Moment zu ihnen herabsteigen.
    Eine Hand berührte seinen Arm. Es war Thea. Sie hakte sich bei ihm ein und lächelte verlegen. »Lass uns zusammenbleiben, ja?
     Man weiß nie, ob sich nicht ein Hund in den Garten verirrt hat.«
    Gemeinsam liefen sie den Abhang weiter hinunter auf den See zu, der zwischen den Stämmen hindurchglitzerte und dessen Oberfläche
     vom Wind gekräuselt wurde. Als sie aus den Bäumen heraus ans Seeufer traten, bemerkte Flo linker Hand einen blassblau getünchten,
     stuckverzierten Pavillon, der Anfang des letzten Jahrhundertserrichtet worden sein musste und auf dessen Dach eine verrostete Treppe aus Eisen führte.
    »Kann man da rauf?« Er sah Thea fragend an.
    »Mein Lieblingsplatz.« Sie zog ihre Hand unter seinem Arm hervor, ging zu dem Pavillon und kletterte die Eisentreppe nach
     oben. Florian folgte ihr.
    Vom Dach des Pavillons hatte man einen weitreichenden Blick über den See. Die Ufer lagen im Schatten der Bäume, weiter draußen
     spiegelte sich der Mond, der zwischen den niedrig hängenden Wolken hervorlugte. Florian stützte sich auf die Balustrade und
     blickte über das Wasser.
    »Hast du ihn noch mal gesehen?« Er vermied es, Thea anzublicken, die neben ihm stand und ebenfalls auf den See schaute.
    »Nein.« Sie zog die Decke fester um sich. »Ich weiß nicht. Vielleicht ist er wirklich tot.«
    Er wollte ihr einen Arm um die Schulter legen, sie vor der Kälte und der Dunkelheit schützen. Doch dann berührte er sie nur
     vorsichtig am Kinn und drehte ihr Gesicht seinem zu. Sie blickte ihn nachdenklich an. Eine seltsame Ruhe ging von ihr aus.
     Florian sah in ihre grünblauen Augen. Sie nahmen ihm beinahe den Atem. Fast war es, als brächen die Worte aus ihm hervor,
     bevor er darüber nachdenken konnte.
    »Ich habe mich in dich verliebt, Thea.«
    Sie sah ihn an. Es schien ihm, als sänke sein Gesicht wie von außen gezogen zu ihrem hinab.
    Da zuckte sie weg und bückte sich. Die Wolldecke war ihr von den Schultern gerutscht.
    »Lass uns wieder hineingehen, es ist kalt.« Sie rafftedie Decke auf, lief, ohne ihn noch einmal anzusehen, zur Eisentreppe und begann die Stufen hinabzusteigen.
    Florian hielt den Blick starr auf den See gerichtet. Eine glühende Faust schien sich in seine Eingeweide zu bohren. Er kannte
     das Gefühl, es kam immer dann, wenn er spürte, dass sein Leben sich ein kleines Stückchen in die falsche Richtung bewegt hatte.
     Was war denn in ihn gefahren, dass er sie hatte küssen wollen!
    Im selben Moment fiel ihm draußen auf dem Wasser etwas auf. Ein Glitzern, eine Bewegung, eine Veränderung hatte seine Aufmerksamkeit
     erregt. Da, im Schatten der Weiden am Ufer des Sees! Was war das? Eine Gestalt?

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