Dunkle Schwingen 2 (German Edition)
„Jeannie? Bist du da?“ Sie seufzte, als sie Rubens x-te Nachricht an diesem Vormittag abhörte. Erst hatte er sich darauf beschränkt, ihr zu simsen , wie sehr er sie vermisste, doch mittlerweile quatschte er ihr zusätzlich die Mailbox voll.
Vermutlich hatte Ruben bei seiner morgendlichen Schwingenkontrolle einen Farbschock erlitten. Der Kerl war regelrecht besessen davon, er hatte sich sogar Musterkarten in Fächerform besorgt, mit deren Hilfe er regelmäßig die Grauwerte seiner Federn überprüfte. Wenn Ruben so aufgeregt klang, war die Färbung wohl wieder einen Ton in Richtung Blütenweiß gewandert.
Ihr ehemaliger Schutzengel hatte sie bei einem Überfall gerettet. Doch vorher war er in die Tiefe gestürzt, weil er sich nicht an die Regeln gehalten hatte. Seine Flügel waren nun ein Indikator dafür, auf welcher moralischen Ebene er sich befand, wobei es nicht gut war, wenn sie zu hell waren, denn dann würde er vielleicht wieder abberufen in den „Himmel“. Durch den permanenten Zustand der Sünde, in dem er mit ihr lebte, war er nicht gezwungen, zurückzukehren.
Zu dunkel durften sie dagegen auch nicht werden. Jeannie hatte am eigenen Leib erlebt, einen dämonischen Jäger an den Hacken zu haben, der versuchte, Ruben wieder zurück in die Unterwelt zu holen ... Also musste er seine Lasterhaftigkeit in einem komplizierten Gleichgewicht halten, um bei ihr bleiben zu dürfen.
Dafür war es notwendig, ihn zu bestrafen. „Lieber“ Sex trug ebenfalls dazu bei, seine Federfarbe aufzuhellen. Sie lachte über sich selbst, zärtliche Stunden insgeheim so zu bezeichnen, doch es gab ja auch die „ dirty“-Variante .
„Du musst unbedingt früher nach Hause kommen. Bitte! Ich brauche dich ganz dringend! Schlag mich!“, klang ihr von der Box entgegen. Der lüsterne Unterton war ihr nicht entgangen, Ruben war scheinbar atemlos vor Verlangen.
Okay, die Message war angekommen, Jeannie schmunzelte. Ihr Engelchen wollte sie glauben machen, es müsste wieder Buße tun. Doch sie wusste, Ruben genoss es, von ihr gezüchtigt zu werden, die vermeintliche Strafe war also eine Belohnung. Das machte es unendlich kompliziert, sein System zum Farbausgleich zu verstehen. Aber er hatte das hoffentlich im Griff und wusste, was er gerade brauchte.
Ihr Kollege von der gegenüberliegenden Schreibtischseite zog eine Augenbraue hoch. „Dein neuer Lover scheint gar nicht genug von dir zu bekommen, du musst eine heiße Schnecke sein. Vielleicht sollte ich auch mal mein Glück bei dir versuchen.“
Mark war ein eitler Fatzke! Jeannie musterte ihn und atmete tief durch. Früher hätte sie nichts gesagt und sich sogar noch geschmeichelt gefühlt, aber das war vor ihrer Zeit mit Ruben. Damals war sie von John, ihrem Lebensgefährten, unterdrückt worden und hatte sich viel zu viel gefallenlassen. Im betrunkenen Zustand hatte John sie geschlagen. Jedes Mal hatte sie ihm geglaubt, dass er es nicht wieder täte, aber die Gewalt hatte kein Ende genommen – bis sie endlich einen Schlussstrich zog.
Dank Ruben hatte sie gelernt, für sich selbst einzustehen und sich zu wehren, wenn sie jemand körperlich oder verbal angriff. Selbst, wenn der Gegner übermächtig erschien.
Mark kam ihr genau richtig … „Ich stehe überhaupt nicht auf Idioten. Du kannst deine Energie sparen und sie lieber in die Mauerblümchen stecken, die du sonst so beeindruckst.“
Beinahe hätte sie laut gelacht, als sie sein Gesicht sah. Ihrem Kollegen fiel fast die Kinnlade herunter und er schwieg offensichtlich beleidigt. Kurz darauf ging er in ein Meeting, ohne ihr noch einen Blick zu gönnen. Dieser Blödmann!
Die schlimmsten Zeiten lagen hinter ihr, so ein Arsch wie Mark konnte sie nicht berühren. Als es ihr dreckig gegangen war, hatte Ruben nicht gut auf sie aufgepasst. In seiner ehemaligen Rolle als Schutzengel hatte seine Aufmerksamkeit wohl wirklich etwas zu wünschen übrig gelassen und dafür hatte er ein großes Opfer bringen müssen. Sein Fall bis in die Unterwelt war ein harter Schlag für ihn gewesen. Wie gut, dass er seinen Häschern entkommen war ...
Sonst wären sie sich nicht begegnet, quasi in der Mitte. Gerade, als sie ihn am dringendsten gebraucht hatte, war er aufgetaucht. Ruben hatte sie gerettet, sie aufgefangen. Das sogar wörtlich … Er war einfach wundervoll gewesen, so mutig und selbstlos. Kaum zu glauben, dass er jetzt der Mann an ihrer Seite war.
Wäre da nicht das Gefühl, ihm nicht gleichwertig zu sein. Zum Glück war er
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