Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
die Soldaten nicht mehr lebend gefunden haben, weil es erleichternd gewesen wäre, die Verantwortung für ihre Sicherheit an jemanden übergeben zu können, der dazu ausgebildet ist. Andererseits hätte Sarge, wären seine Jungs noch lebendig gewesen, Anne und ihre Gruppe wohl kaum mitgenommen. Dann wäre Sarge mit den Infanteristen abgehauen, um zu kämpfen.
Sarge schenkt der Polizistin einen eingehenden Blick. Sie errötet, stottert kurz herum und fügt dann schnell hinzu: » Wenn du ’ne Freundin zum Reden brauchst, komm zu mir. Mehr wollte ich nicht sagen. «
» Ich hab keine Freunde « , sagt Sarge. » Meine Freunde sind alle tot. «
Die Rampe fährt auf heulender Hydraulik abwärts, flutet das Abteil mit Sonnenschein und dem herben, ätzenden Geruch brennender Chemikalien.
Die Überlebenden verlassen den Bradley und verteilen sich, um die Umgebung in einem Radius von dreihundertsechzig Grad abzusichern – wie Sarge es sie gelehrt hat. Anne sagt, sie wolle den Laden, bevor die Gruppe ihn betritt, von Infizierten säubern. Die Polizistin Wendy will für Rückendeckung sorgen. Dann besteht der Bengel darauf mitzukommen, doch Anne sagt, er soll bleiben und die Straße im Auge behalten. Sie verschwinden, die Waffen im Anschlag, im Laden.
Der Bengel grinst. Er sieht mit dem schwarzen T-Shirt, das in normalen Kampfanzughosen steckt, der kugelsicheren Weste und der SWAT -Mütze wie jemand aus, der in einer Doku-Soap über minderjährige Kopfgeldjäger mitspielt. Er kaut auf einem Zahnstocher, lugt durch die Zieloptik seines M4 und sucht die Straße nach Infizierten ab.
» Bringt dich das Ende der Welt nicht schnell genug unter die Erde, Pastor? « , sagt er.
Paul hält beim Anzünden der Zigarette inne. Dann macht er weiter und inhaliert. Er seufzt zufrieden, hebt seine Knarre hoch und stößt eine lange Rauchwolke aus. » Das hier macht die Apokalypse für mich etwas schöner « , erläutert er.
» Ist das nicht Gottes Job? «
Ein Schatten huscht über das Gesicht des Geistlichen, doch er sagt sorglos: » Gott hat uns dich geschickt, mein Junge. «
Der Bengel hört auf zu grinsen. Er weiß es zwar nicht genau, aber er glaubt, dass der Alte ihn gerade verarscht hat. Er ist leicht zu verarschen. Schon die kleinste Bemerkung jagt ihm Angst ein, bringt ihn durcheinander, macht ihn wütend. Paul nimmt gedankenverloren einen weiteren Zug, dann hustet er in die hohle Hand. Der Bengel neidet ihm die Lässigkeit, die mit dem Alter kommt. Für den Bengel birgt jede Interaktion gewaltige Risiken.
» Hoffentlich regnet es wieder « , sagt Paul. » Und zwar richtig, damit diese ganze Scheiße in der Gosse verschwindet. «
» Das hoff ich auch, Pastor « , sagte der Bengel, dem diese Vorstellung gefällt.
Wendy erscheint in der Tür und signalisiert, dass die Luft rein ist. Die Überlebenden betreten den Laden. Der Bradley fährt sofort in einer Abgaswolke weiter und faltet ein weiteres Auto wie Blechfolie zusammen, bevor er in einer nahen Gasse jäh eine Neunzig-Grad-Wendung vollzieht.
Drinnen marschiert Paul zur nächsten halbwegs geschützten Ecke, lässt die Hosen runter, kackt laut in einen 15-Liter-Eimer, auf dem sich ein Toilettensitz befindet, schnappt sich eine Rolle Klopapier und raucht die Zigarette zu Ende. Der Bengel beneidet die anderen, die sich auf dermaßen beiläufige Weise erleichtern können. Er braucht für solche Dinge Abgeschiedenheit, aber das Verlangen nach Intimsphäre ist gegenwärtig keine Eigenschaft, die das Überleben fördert. Es bedeutet, einen Raum säubern zu müssen, der vielleicht von Infizierten bewohnt wird. Ein Schritt, der in den Augen anderer unnötige Risiken birgt. Ein solcher Schritt macht verletzlich. Und er beinhaltet das Risiko, zurückgelassen zu werden, falls die Gruppe zu einer schnellen Flucht gezwungen ist.
Anne berührt die Schulter des Bengels und deutet mit dem Kopf in Richtung Tür. Sie hat ihn ausgewählt, damit er Wache schiebt. Er seufzt kurz, doch dann tut er, worum er gebeten wurde, und bittet sie, ihm ein paar Batterien und Süßigkeiten mitzubringen. Ach ja, und auch eine neue Zahnbürste.
Die Überlebenden haben den Bengel vor drei Tagen aufgelesen. Sie waren von einer riesigen Horde vom Bradley abgeschnitten und wurden vom plötzlichen Schrillen eines alten mechanischen Weckers im nächsten Häuserblock gerettet. Das Geräusch lenkte die Infizierten so lange ab, bis sie sich verdünnisieren konnten. Beim Bradley stießen sie auf den Bengel, der sie
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