Dead End: Thriller (German Edition)
erwiderte er und wischte sich Bierschaum von der Oberlippe. »Als ich Sie das letzte Mal gesehen habe, war die Situation etwas angespannt.«
Damals war er drauf und dran gewesen zu verbluten. Ich übrigens auch. »Etwas angespannt« beschrieb es wohl ganz gut.
»Wie geht es Ihnen?«, erkundigte ich mich, obwohl ich das eigentlich recht gut wusste. Die letzten paar Monate hatte ich gemeinsame Bekannte schamlos um Neuigkeiten angebaggert. Ich wusste, dass der Schuss, den er in jener Nacht abbekommen hatte, einen ordentlichen Batzen Lungengewebe zerfetzt hatte, den die Chirurgen und der Lauf der Zeit hatten reparieren können. Ich wusste, dass er vier Wochen im Krankenhaus gelegen hatte und noch die nächsten drei Monate als eingeschränkt diensttauglich galt.
»Den London Marathon lasse ich dieses Jahr vielleicht aus«, sagte er, streckte eine Hand aus und griff nach meiner. Prompt begannen in meinem Bauch straff gespannte Gitarrensaiten zu klingen. »Sonst ist alles bestens.« Er drehte mein Handgelenk herum, um die Unterseite zu betrachten, und schaute einen Moment auf das dicke Pflaster, das ich immer noch trug, mehr weil ich die Narbe darunter nicht ansehen mochte, als weil sie abgedeckt werden musste. Nach drei Monaten war sie so gut verheilt, wie es nur ging. Und das würde niemals genug sein.
»Ich dachte ja, Sie kommen mal vorbei und besuchen mich«, fuhr er fort. »Diese Krankenhausnachthemden sind echt sexy.«
»Ich hab einen Teddy geschickt«, erwiderte ich. »Ist wohl in der Post verloren gegangen.«
Wir wussten beide, dass ich log. Was ich ihm nie erzählen würde, war, dass ich fast eine Stunde damit verbracht hatte, mir auf der Website von Steiff genau den Teddy auszusuchen, den ich geschickt hätte, wenn so etwas möglich gewesen wäre. Der, für den ich mich schließlich entschied, war dem, den er mir einmal geschenkt hatte, ganz ähnlich, nur größer und frecher. Als ich das letzte Mal nachgeschaut hatte, war er als nicht lieferbar gekennzeichnet gewesen. Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können. Jetzt betrachtete er mein Gesicht, genauer gesagt meine neu modellierte Nase. Vor einem Monat war sie nach einem Bruch neu gerichtet worden, und die postoperativen Blutergüsse waren gerade erst verblasst.
»Nicht schlecht«, bemerkte er. »Kleines bisschen länger als vorher?«
»Ich dachte, so sehe ich intellektuell aus.«
Er hielt noch immer mein Handgelenk, und ich machte keine Anstalten, es wegzuziehen. »Ich habe gehört, man hat Sie auf Pornografie angesetzt«, meinte er. »Macht’s Spaß?«
»Die lassen mich recherchieren und Präsentationen abliefern«, schnappte ich, denn ich mag es nicht, wenn Männer sich auch nur ansatzweise scherzhaft über Pornografie auslassen. »Anscheinend glauben sie, ich bin gut, wenn’s um Details geht.«
Joesbury ließ mich los, und ich konnte sehen, wie seine Stimmung umschlug. Er wandte sich ab, und sein Blick fiel auf einen Tisch am Fenster.
»Also, jetzt wo die Nettigkeiten ausgetauscht wären, sollten wir uns hinsetzen.« Ohne meine Zustimmung abzuwarten, klemmte er sich die Perücke unter den Arm, nahm beide Drinks und bahnte sich einen Weg durch die Bar. Ich folgte ihm und redete mir ein, dass ich kein Recht hatte, enttäuscht zu sein. Das hier war kein Date.
Joesbury hatte einen Rucksack dabei. Er zog eine dünne braune Akte daraus hervor und legte sie ungeöffnet zwischen uns auf den Tisch.
»Ich habe die Genehmigung Ihrer Vorgesetzten in Southwark, Ihre Mithilfe für einen Fall anzufordern«, sagte er und hätte jeder x-beliebige ranghöhere Beamte sein können, der irgendeinen x-beliebigen Untergebenen einweist. »Wir brauchen eine Frau. Jemand, der als höchstens Anfang zwanzig durchgehen kann. In der Abteilung ist niemand verfügbar. Da hab ich an Sie gedacht.«
»Ich bin tief gerührt«, spielte ich auf Zeit. Bei Fällen, die ans SO 10 verwiesen wurden, gehörte es dazu, dass Polizeibeamte undercover in schwierige und gefährliche Situationen eingeschleust wurden. Ich war mir nicht sicher, ob ich schon wieder für so etwas bereit war.
»Machen Sie Ihre Sache gut, und es wird in Ihrer Akte prima aussehen.«
»Umgekehrt natürlich auch.«
Joesbury lächelte. »Ich habe Befehl, Ihnen zu sagen, dass es ganz allein Ihre Entscheidung ist«, sagte er. »Des Weiteren bin ich von Dana angewiesen worden, Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass ich ein verantwortungsloser Idiot bin, dass es nach dieser Ripper-Geschichte noch viel zu früh
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