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Dead Man's Song

Dead Man's Song

Titel: Dead Man's Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troll Trollson
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denkt sie nicht ein einziges Mal darüber nach, daß sie etwas tut, was sie später in die Lage versetzt, einen Versicherungsbetrug zu begehen. Nicht eine Sekunde lang kommt sie auf die Idee, daß sie ungesetzlich handelt. Sie korrigiert lediglich einen kleinen Fehler. Die Dummheit ihres Vaters, der nicht gewußt hat, daß ein Selbstmord gegen die Klauseln der Lebensversicherung verstößt, falls das, was sie gehört hat, wirklich zutrifft. Sie ist überzeugt, daß es zutrifft, wie kann sie sonst davon gehört haben?
    Nun, denkt sie, dann mal los.
    Der erste Kontakt mit ihm - sein Gesicht an dem ihren, während sie eine Schulter unter seinen Arm schiebt und mit der freien Hand den Bademantelgürtel vom Haken nestelt - ist kalt und abstoßend. Sie spürt, wie ihr Fleisch sich verkrampft, sich eine Gänsehaut bildet, und hätte ihn in diesem Moment beinah fallen lassen. Doch sie hält ihn fest in einer makabren Tanzhaltung und schleppt und schleift ihn zum Bett, wo sie ihn sofort losläßt. Sein Oberkörper und sein Gesäß liegen auf dem Bett, Beine und Füße hängen hinab. Sie weicht angeekelt zurück. Sie ist außer Atem. Er ist viel schwerer, als sie es erwartet hat. Der Gürtel liegt immer noch um seinen Hals wie ein breites, blaues Band, das zu seinen grotesk blauen Händen und Füßen paßt. Sie schiebt eine Hand unter seinen Kopf, spürt die klamme Kälte seiner Haut, hebt den Kopf an und zieht den Gürtel herunter. Sie löst den Knoten, und dann bringt sie den Gürtel quer durch das Zimmer zum Sessel, über dessen Lehne der blaue Bademantel drapiert ist. Sie überlegt, ob sie den Gürtel durch die Schlaufen fädeln soll, fängt damit an, aber ihre Hände zittern, haben keine Geduld, und sie läßt den Gürtel einfach auf den Fußboden fallen, wo er neben seinen Schuhen und seinen Socken liegenbleibt.
    Sie blickt wieder auf die Uhr.
    Es ist fast zehn.
    Irgendwo schlägt eine Kirchenglocke die volle Stunde.
    Der Klang weckt bei ihr eine Erinnerung, die sie nicht richtig einordnen kann. Ein Sonntag vor langer Zeit? Vorbereitungen für ein Picknick? Ein kleines Mädchen in einem geblümten Sommerkleidchen? Sie lauscht dem Schlag der Kirchenglocke. Ihr Klang läßt ihr beinahe die Tränen in die Augen steigen. Stocksteif steht sie in der Wohnung, während die Kirchenglocke in der Ferne erklingt. Und schließlich verstummt die Glocke. Sie seufzt tief und geht wieder zum Bett zurück.
    Ihr Vater liegt quer darauf, so wie sie ihn fallen lassen hat, auf dem Rücken, die Beine an den Knien gebeugt und auf dem Fußboden ruhend. Sie geht zu ihm hin und hebt die Beine hoch. Sie dreht den Körper, so daß er jetzt richtig liegt, den Kopf auf dem Kissen, die Füße am Fußende, wo sie beinah das Fußbrett berühren. Sie zerrt die Decke unter ihm hervor und zieht sie bis zum Fußende hinunter. Sie weiß, daß es seltsam aussehen wird, daß er in voller Kleidung im Bett liegt. Sie weiß, daß es sicherlich besser wäre, ihn ganz auszuziehen, ehe sie die Decke über seine Brust breitet. Aber sie hat in ihrem ganzen Leben ihren Vater niemals nackt gesehen, und die Aussicht darauf, ihn auszuziehen, der schreckliche Gedanke, seinen nackten Körper kalt und blau und schrumpelig und tot vor sich zu sehen, ist so entsetzlich, so erschreckend, daß sie unwillkürlich einen Schritt rückwärts macht und den Kopf schüttelt, als weigere sie sich, einen solchen Akt auch nur vage in Erwägung zu ziehen. Wie grauenvoll, denkt sie. Der absolute Horror. Und sie breitet die Decke über ihn, zieht sie hoch bis dicht unter sein Kinn und verbirgt bis auf sein Gesicht alles andere.
    Dann geht sie zum Telefon, wählt 911 und erklärt der Telefonistin mit fester Stimme, daß sie soeben ihren Vater tot in seinem Bett gefunden hat, und ob sie nicht umgehend jemanden vorbeischicken könne.
     
    »Die Frau stand unter Schock«, sagte Alexander. »Sie wußte nicht, was sie tat.«
    »Sie hat uns gerade erzählt, daß sie einen Versicherungsbetrug geplant hat«, widersprach Carella.
    »Nein, das hat sie überhaupt nicht erzählt. Sie weiß noch nicht einmal, was in der Police steht. Gibt es dort tatsächlich eine Ausschlußklausel bei Selbstmord? Wer weiß das? Sie weiß nur, daß im Bankschließfach ihres Vaters eine Versicherungspolice liegt. Wie die Police aussieht und über welchen Betrag sie abgeschlossen wurde, weiß sie nicht. Wie können Sie also behaupten, daß sie einen Versicherungsbetrug geplant hat?«
    »Nun überlegen Sie mal, Herr

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