Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
öffnet einem wahrhaft die Augen und wimmelt von interessanten Menschen und Orten. Jeder, der schon einmal die Gelegenheit hatte, in New York zu leben, hat zweifelsohne reichlich Erfahrungen gesammelt. Ein Vorteil für Peter – denn selbst mit grünen Schuhen fällt man dort nicht auf. In New York ist alles erlaubt.
Von meinem neuen Arbeitgeber RTL plus hatte ich zum ersten Mal Mitte der Achtzigerjahre gehört, als meine damalige Firma Conus eine dauerhafte Kooperation mit dem Privatsender einging. Ganz nach dem Motto: Minneapolis meets Köln-Müngersdorf.
Zur Vorbereitung auf ein erstes Treffen mit Vertretern des deutschen Privatsenders wurde mir nur gesagt: »Morgen kommen die Deutschen. Vielleicht möchtest du die Gelegenheit nutzen, sie kennenzulernen. Schließlich bist du wahrscheinlich ihr zukünftiger Ansprechpartner. Einer von denen, Joe heißt er, kann Englisch. Er ist, glaube ich, Ire, spricht aber ziemlich gut Deutsch.«
»Wie heißt der Sender?«, fragte ich.
»Er heißt RTL plus.«
»Was soll das plus bedeuten?«
»Das ist einfach Teil des Namens.«
»Ach so«, sagte ich, war aber keinen Deut schlauer.
Amerikanische Sendernamen bestehen lediglich aus drei Buchstaben, weshalb ich mit diesem plus am Ende nichts anfangen konnte. Plus was? Handelte es sich um eine mathematische Gleichung? Sollte das sexy klingen?
Ich war froh, als die Senderleitung Jahre später beschloss, dass das plus überflüssig war. Mir kam es vor, als wäre der Sender erwachsen geworden. Drei Buchstaben – mehr braucht man nicht, wenn man mit den großen Jungs der TV-Branche spielen will.
In New York liefen Peter, frisch gebackener Auslandskorrespondent, und ich, seine Producerin, tagelang mit nichts weiter als einem Handy ausgestattet durch die Straßen. Und das zu einer Zeit, als nicht jeder ein Handy hatte. Wahrscheinlich hielten die Leute uns für Drogendealer oder Buchmacher. Ab und zu, wenn wir uns aufwärmen mussten, legten wir einen kurzen Zwischenstopp in einem Café ein, wo wir unsere Telefonate erledigten und das weitere Vorgehen besprachen.
Unser Büro lag auf der West 57th Street im CBS-Gebäude, war aber noch nicht bezugsbereit. Es war ein seltsames Gefühl, tagsüber obdachlos zu sein und abends in eine warme Wohnung zurückzukehren. Aber nach einigen Wochen konnten wir endlich in unser Büro einziehen und waren danach durch nichts mehr aufzuhalten.
Die Arbeit mit Peter und unserem englischen Kamerateam, Mark und John, war traumhaft. Wir reisten durch das ganze Land und berichteten über alle möglichen Themen, von der Sonnenfinsternis über Hawaii bis zu den Exilkubanern in Florida, nicht zu vergessen so außergewöhnliche Dinge wie Christos Schirme in der kalifornischen Wüste und die Biosphere-Bewohner in Arizona. Es war für uns alle eine aufregende Zeit, und unsere Zusammenarbeit funktionierte hervorragend.
Bis Peter eines Tages seinen Chefredakteur am JFK Airport abholte und auf der Fahrt nach Manhattan ein Angebot von ihm bekam, das er nicht ausschlagen konnte. Er sollte nach Deutschland zurückkehren, um zukünftig die Abendnachrichten zur Primetime zu moderieren. Das war ein riesiger Karrieresprung für ihn.
Obwohl ich es mir zunächst nicht eingestehen wollte, brach es mir das Herz, dass Peter bald fort sein würde, und ich versuchte, meinen Kummer an jenem Abend in einem Lokal namens Memphis zu ertränken. Es war das einzige Mal in meinem Leben, dass ich mich aufgrund von Ananassaft mit Wodka krankmeldete. Und wen musste ich am nächsten Morgen mit dieser peinlichen Nachricht anrufen? Peter natürlich – schließlich war er mein Chef.
Irgendwann nach diesem schrecklichen Abend hatten Peter und ich ein Gespräch, das unser gemeinsamer Freund und Kollege John angeregt hatte. Die Kommunikation von Gefühlen zwischen professionellen Kommunikatoren kann eine große Herausforderung sein. Peter und ich bildeten da keine Ausnahme … Letztendlich haben wir es jedoch geschafft: Das Ergebnis war eine sechsmonatige transatlantische Fernbeziehung, gefolgt von meinem Entschluss, nach Deutschland zu ziehen.
Zu dieser Zeit beschränkte sich mein Wissen über Deutschland auf den Zweiten Weltkrieg, Kanzler Kohl, das Oktoberfest, die Wiedervereinigung sowie etwas, das Autobahn heißt und wo man mit todesmutigen Geschwindigkeiten rasen darf.
Ich musste auch an die spannenden Geschichten meiner Freundin Jill denken, die dort kurze Zeit als Austauschschülerin verbracht hatte. Eine handelte davon, dass Jill es
Weitere Kostenlose Bücher