Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
werden. Also hatte sie gezögert, am Ende aber doch entschieden, dass sie Aarons Fähigkeiten brauchte. Jetzt zog sie diese Entscheidung natürlich schon wieder in Zweifel.
»Ich dachte, du glaubst nicht an Zufälle.«
»Allerdings nicht.«
»Findest du es dann nicht merkwürdig, dass so etwas ausgerechnet passiert, wenn Santana zum ersten Mal seit langem für ein paar Tage nicht da ist?« Aaron wies auf das in Folie verpackte Stück Papier auf dem Tisch neben den Keramikhunden. »Ich dachte, ihr zwei versteht euch gut.«
»Wir sind Geschäftspartner, weiter nichts.«
»Kommt er mit, wenn du umziehst?«
»Ich weiß nicht, aber er wird auf keinen Fall mit im Haus wohnen.« Sie seufzte und beschwor ihren Bruder mit dem Blick, das Thema endlich ruhen zu lassen. »Zwischen Nate und mir ist nichts. Nicht, dass dich das etwas anginge.«
»Jetzt geht es mich durchaus etwas an.«
»Na schön. Aber wir beide sind lediglich Geschäftspartner und nicht etwa ein Paar, falls du etwas in der Richtung andeuten wolltest. Was den Umzug betrifft: Ich weiß es nicht. Wir verhandeln noch.«
Aaron knurrte etwas Unverständliches, doch er sprach seinen Zweifel nicht aus. Gut. In nüchternem Ton fragte er: »Hast du jemals Kontakt zu deiner Kleinen aufgenommen?«
»Wie bitte?« Sie schrak auf.
»Das Kind, das du zur Adoption freigegeben hast, das gerade Geburtstag hatte. Hast du je Kontakt zu ihr aufgenommen?«
»Nein! Ich weiß noch nicht einmal, wo sie lebt.«
Bei dem Gedanken überwältigte sie der Schmerz, wie immer, wenn sie an ihr einziges Kind dachte, das sie nur einmal kurz im Krankenhaus gesehen hatte, unmittelbar nach der Geburt. Zu dem Schmerz kamen brennende Schuldgefühle, weil sie nicht stark genug gewesen war, ihr Kind allein aufzuziehen. Sie konnte sich noch so oft sagen, dass sie das Richtige getan hatte und dass ihre Tochter bei liebevollen Eltern, die sich sehnlichst ein Kind wünschten, besser aufgehoben war – die Zweifel schlichen sich doch in ihre Gedanken, in ihre Träume … Plötzlich schossen ihr heiße Tränen in die Augen.
Mit heiserer Stimme sprach sie weiter. »Ich habe daran gedacht. Himmel, ich wollte es so sehr. Aber, nein, ich habe es nie versucht, mich nie in so eine Liste im Internet eingetragen oder mich an Agenturen gewandt, die Adoptivkindern helfen, ihre leiblichen Eltern aufzuspüren.«
»Aber du hast mit dem Gedanken gespielt?«
Sie nickte.
»Hast du mit jemandem darüber gesprochen?«
»Nein.« Sie räusperte sich. »Ich dachte mir, vielleicht suche ich in ein paar Jahren nach ihr, wenn sie erwachsen ist.«
Aaron rieb sich das Kinn. »Was ist mit Giles?«
»Brendan?« Insgeheim hatte sie damit gerechnet, dass die Sprache auf ihren damaligen Freund, den Vater ihres Kindes, kommen würde.
»Ja. Hast du von ihm gehört?«
»Nein … Nie wieder.«
Aaron runzelte die Stirn, als glaubte er ihr nicht ganz. Der Hund, der begriffen hatte, dass mit einem Leckerbissen nicht mehr zu rechnen war, stand auf, streckte sich und gähnte, wobei er seine schwarzen Lefzen und die Zähne zeigte.
»Nie mehr«, wiederholte sie, und die alte Wunde riss schmerzhaft wieder auf. Sie entdeckte einen Wasserflecken auf dem Tresen, wischte ihn mit dem Finger fort.
»Er ist der Vater des Kindes.«
»Ich weiß, Aaron, aber vergiss nicht, er hat sich aus dem Staub gemacht, als er erfuhr, dass ich schwanger war. Ist über die Grenze gegangen.«
»Das glaubst du.« Er sprang geschmeidig vom Tresen auf das alte, rissige Linoleum.
»Ich weiß es. Die ganze Stadt weiß es.« Sie hob abwehrend beide Hände. »Wir sollten ihn aus dem Spiel lassen.«
»Ich würde gern mit ihm reden.«
Ich nicht, dachte Shannon. Sie wollte Brendan Giles nie im Leben wiedersehen. »Er ist ein Feigling und hat sich nicht im Geringsten für das Kind interessiert. Aber wenn du ihn findest, gut. Versuch es.« Sie musste an den letzten Streit mit ihm denken, nachdem sie ihm eröffnet hatte, dass sie schwanger war. Sie erinnerte sich, wie sein hübsches Gesicht sich zu einer hässlichen Fratze verzerrte, wie er höhnisch, beinahe angewidert den Mund verzog und ihr die Worte entgegenschleuderte, die sich in ihr Gedächtnis eingebrannt und ihr das Herz gebrochen hatten. »Weißt du«, gestand sie jetzt, »Brendan besaß die unglaubliche Frechheit zu sagen, das Kind wäre ja vielleicht gar nicht von ihm.«
»Das ist normal, so reagieren viele Männer.«
»Nein, normal ist es nicht. Es ist die Ausflucht eines Feiglings.«
»Du
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