Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
Freunde benutzte.
Kein Mensch ahnte, dass es daneben neuerdings eine zweite Adresse gab; denn jedes Mal, wenn sie den Computer einer Freundin benutzte, loggte sie sich zuerst unter DaniSet321 ein und wechselte dann, wenn niemand hinsah, zu ihrem anderen Benutzernamen. Die Gefahr, dass ihr jemand auf die Schliche kam, war gering, denn Andreas und Jessicas ältere Brüder hatten zusätzlich zu den gewöhnlichen Virenschutzprogrammen Anti-Spy-Software installiert. Dadurch wurden alle Informationen so sicher auf der Festplatte versteckt, dass wahrscheinlich selbst der Computer der CIA abstürzen würde, sollte jemand darüber versuchen, sämtliche Informationsschichten aufzudröseln, wie Stephen, Jessicas pickliger, technikbesessener älterer Bruder, voller Stolz verkündet hatte. Dani verdrängte die Tatsache, dass sie ihn oft genug als ›Blödmann von ungeahnten Dimensionen‹ bezeichnet hatte – diesmal musste sie ihm vertrauen.
Vor fast einem Jahr hatte sie angefangen, im Internet den Nickname GebSF0923 zu benutzen, und bisher schien niemand aus ihrem Umfeld etwas zu ahnen. Dani hatte den Namen gewählt, um jemanden, der nach ihr suchte, auf sich aufmerksam zu machen: Sie war in San Francisco zur Welt gekommen und hatte am 23.September Geburtstag.
Dass sie ihren Dad hinterging, bereitete ihr Gewissensbisse, aber er hätte sich furchtbar aufgeregt, wenn er davon erfahren hätte, und dabei war er ohnehin schon so im Stress. Nach außen hin gab er sich zwar cool, als ob es ihm nichts ausmachte, alleinerziehender Vater zu sein, aber sie wusste, dass es ihm in Wirklichkeit schwer zu schaffen machte. Seit kurzem hatte er angefangen, sich wieder mit Frauen zu verabreden. Dani fand die Vorstellung, dass er nach Mom eine andere heiraten könnte, zum Kotzen. Sie war froh, dass er allmählich über Ellas Tod hinwegkam, doch die Aussicht auf eine neue ›Mutter‹, die womöglich ein paar Kinder und einen Ex-Mann und andere lästige Verwandte mit in die Ehe brachte, begeisterte Dani nicht sonderlich.
Sie verfolgte ihre eigenen Ziele. Seit ihre Mutter gestorben war, hatte sie ein immer größeres Interesse an ihren leiblichen Eltern entwickelt, ja, sie war inzwischen regelrecht besessen von dem Wunsch, sie aufzuspüren. Und sie war schon so dicht dran!
Natürlich würden diese Menschen ihr niemals die Eltern ersetzen können. Ausgeschlossen! Aber trotzdem drängte es sie, Näheres über ihre Herkunft zu erfahren. Aus was für Familienverhältnissen stammte sie? Wo genau war sie zur Welt gekommen? Unter welchen Umständen? Hatte sie Geschwister oder wenigstens Halbgeschwister? Waren ihre Mutter und ihr Vater verheiratet? Vielleicht geschieden? Lebten sie überhaupt noch? Saßen sie womöglich im Gefängnis? War sie das Ergebnis eines One-Night-Stands, vielleicht sogar einer Vergewaltigung? Bei dem Gedanken schauderte sie. Entschlossen trabte sie weiter durch Seitenstraßen in Richtung Fluss.
Es hatte fast ein Jahr gedauert, bis endlich doch jemand in den Chat-Rooms, die sie besuchte, angedeutet hatte, dass Hoffnung bestand, ihre leiblichen Eltern zu finden. Oder wenigstens in Erfahrung zu bringen, wer sie waren. Diese Person nannte sich BJC27 und behauptete, selbst adoptiert zu sein und jahrelang nach ihren Eltern gesucht zu haben, die beide noch lebten. Mit siebenundzwanzig Jahren habe sie sie endlich kennengelernt. Zwar stritt der Vater immer noch ab, diese Tochter gezeugt zu haben, doch ihre Mutter hatte bei der Begegnung mit ihr geweint. Sie hatte sie auch mit ihren beiden Halbbrüdern bekannt gemacht. Das war das einschneidendste Ereignis in Bethany Janes Leben gewesen, und seitdem widmete sie ihre Freizeit anderen Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befanden, und ermutigte sie. Sie und Dani alias GebSF0923 tauschten E-Mails. Bethany Jane war überzeugt, ihr helfen zu können, und hatte über Adoptionen recherchiert, die vor dreizehn Jahren in der Umgebung von San Francisco stattgefunden hatten.
Anfangs war Dani misstrauisch gewesen. Sie hatte Bethany Janes Userprofil überprüft und erfahren, dass diese aus Phoenix stammte, ledig, Anfang vierzig und Bibliothekarin in einem kleinen College war. Zwar hatte Bethany nur ihre beiden Vornamen angegeben, aber Dani hatte über die Website des College herausgefunden, dass tatsächlich eine Bethany Jane Crandall in der Bibliothek arbeitete. Dort fand sie auch ein Bild von ihr. Die Google-Suche ergab mehrere Bethany Jane Crandalls, doch diese eine stand in
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