Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
Ergib dich mir.
Oliver war auf die Knie gesunken. Tränen strömten über sein Gesicht, und er gelobte, von diesem Augenblick an Gottes ergebener Diener zu sein.
Doch er hatte versagt.
Alles, was er getan hatte, war eine einzige Lüge.
Und wieder einmal erwog er den einfacheren Weg, die rasche Lösung. Aber Selbstmord war feige. Und Sünde.
Noch eine Sünde.
Mit zusammengebissenen Zähnen ließ er sein erbärmliches Leben Revue passieren.
Er beugte sich tiefer hinab, bis er ausgestreckt in Gras und Laub lag, und flehte verzweifelt zu Gott, er möge seine Gebete erhören.
Er möge ihm vergeben.
Ihn leiten.
Doch in der Dunkelheit, in der eine schmale Mondsichel hinauf in den Sternenhimmel stieg, hörte er nur sein eigenes Herzklopfen und das Seufzen des heißen Windes, der im trockenen Laub und in den dürren Zweigen über ihm raschelte.
Ihm brach am ganzen Körper der Schweiß aus, und zugleich ließ ihm die Angst das Blut in den Adern gefrieren.
Gottes Stimme schwieg.
Das Einzige, was er hörte, war das Wispern der Dämonen in seinem Kopf, die ihn verlockten, in Versuchung führten. Ihm sagten, was er längst wusste: dass er unwürdig war.
»Hilf mir«, rief er laut. Quälender Schmerz durchfuhr ihn, Schuldgefühle drohten ihm die Luft abzuschnüren. Seine Finger krallten sich in die trockene Erde, ins Laub und in die Zweige, und abgestorbenes Gras schnitt in seine Haut. Ihm kamen die Tränen bei dem Gedanken an Jesus, der für seine, Olivers, Sünden am Kreuz gestorben war.
War das gerecht?
Nein.
Und trotzdem konnte er die Dämonen nicht beherrschen, die unentwegt um seine Seele rangen, konnte die hitzigen Impulse in seinem Inneren nicht unterdrücken.
Verzweifelt blickte er zum Himmel auf. Ob Gott ihn hörte? Ob er ihm gleichgültig war?
Oliver schloss die Augen und ließ sein Gesicht auf den Boden sinken, so dass ihm Staub in die Nase und die Kehle drang.
»Bitte, Vater«, betete er in seiner Not, »hilf mir.«
Doch er vernahm kein Wort des Trostes.
Fand keine Antworten auf seine Fragen.
Die Dämonen lachten.
Es schien, als hätte Gott ihn in dieser Nacht wahrhaftig verlassen.
Zum ersten Mal in ihrem Leben schwänzte Dani Settler die Schule.
Sie hatte ein schlechtes Gewissen deswegen, und es tat ihr leid, dass sie die Sportstunde versäumte, die letzte Unterrichtsstunde an diesem Tag. Sport war ihr Lieblingsfach, und sogar der Lehrer, Mr. Jamison, war cool. Einer der wenigen coolen Lehrer an der Harrington Junior High School.
Aber sie musste es tun. Sie musste. Obwohl die Schule erst vor drei Wochen begonnen hatte.
Sie schulterte ihren Rucksack und verließ das Gebäude durch eine Seitentür in der Nähe der Sporthalle. Rasch lief sie an einer Reihe von Lebensbäumen vorbei, die sie vor Blicken aus dem Schulgebäude schützte – insbesondere vor denen der wachsamen Miss Craig, der Aufsichtslehrerin mit dem verkniffenen Gesicht –, und dann huschte sie um die Unterstände der Bushaltestellen herum.
Sie schwitzte jetzt schon. Es war Ende September, aber noch kein bisschen herbstlich. Nur staubiges, trockenes Laub, und über ihr am klar-blauen Himmel der sich auflösende Kondensstreifen eines Jets auf dem Weg nach Osten. Die Sonne brannte erbarmungslos, so dass die Luft vor Hitze flimmerte. Trotzdem beschleunigte Dani ihren Schritt und verfiel in Trab. Sie hatte vierzig Minuten für den Weg zum Internet-Café und wieder zurück, bevor die letzten Busse an diesem Tag abfuhren. In der Sportstunde würde sie als fehlend eingetragen werden, man würde ihren Dad anrufen, aber bevor er wirklich böse werden konnte, wäre sie längst zu Hause und hätte ihre Entschuldigung parat.
Hoffentlich würde es glimpflich ablaufen. Sie hasste es, ihren Dad zu verärgern, und noch mehr hasste sie es, ihn zu enttäuschen. Doch diesmal glaubte sie, keine andere Wahl zu haben.
Ohne sich umzublicken, trabte Dani eine Seitenstraße entlang und durchquerte den Park. Die Sohlen ihrer Nikes klatschten auf den Asphalt unter hohen grünen Fichten und den Eichen, die bereits die ersten Blätter abwarfen.
Im Internet-Café angekommen, würde sie ihren neuen E-Mail-Account einsehen. Die Adresse hatte sie sich bei ihrer Freundin Jessie eingerichtet, wobei sie falsche Angaben über sich selbst machte. Weder Jessica noch Andrea, deren Computer sie ebenfalls benutzte, wussten von ihrer neuen Adresse. Sie kannten sie nur unter DaniSet321, dem Nickname, und der E-Mail-Adresse, die sie für SMS und E-Mails an ihre
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