Debütantinnen - Roman
ist«, sagte sie. »All die Jahre, all die Zeit. Und jetzt ist es vorbei. Das war’s.« Sie spülte das Seifenwasser ab und stellte das Gitter aufs Abtropfbrett.
»Das tut mir leid«, murmelte Cate, der nichts Besseres einfiel.
»Und dieses Zimmer oben. Das ist doch seltsam, finden Sie nicht?«
Cate schwieg, sie fühlte sich irgendwie verantwortlich.
»All die Bücher. Mein Bruder und ich hatten nichts, als wir klein waren. Ehrlich. Wir hätten alles gegeben für solche Bücher. Also, wissen Sie, das sieht Irene gar nicht ähnlich. Sie war ein großzügiger Mensch. Gott. Vielleicht hatte sie vergessen, dass sie da waren.« Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. »Wollten Sie nichts essen?«
»Nein. Ich habe mich ein Weilchen in den Rosengarten gesetzt. Er ist wirklich sehr schön.«
»Ja, er ist hübsch. Irene sagte immer, die Schönheit der Natur sei der Beweis für Gottes Vergebung.«
»Warum? Was hatte er ihr denn zu vergeben?«
Jo zuckte die Achseln. »Ich glaube nicht, dass das so konkret gemeint war. Vielleicht meinte sie die Erbsünde oder etwas in der Art. So sind Katholiken doch, oder? Sehen in allem eine Sünde, was für andere Menschen schlicht die menschliche Natur ist.«
»Ich mag die Sonnenuhr. Wissen Sie, woher das Zitat stammt?«
»Nein«, gestand Jo. »Der Garten wurde nach dem Krieg angelegt. Der Colonel war sehr eigen mit der ganzen Sache. Die Rosen haben alle dieselbe Farbe, sie wurden nie ausgetauscht. Alle weiß. Anscheinend haben Blumen eine besondere Bedeutung.«
»Zum Beispiel?«
»Ich weiß nicht … Warten Sie.« Sie seufzte und versuchte, sich zu erinnern. »Weiße Blumen bedeuten so etwas wie Reinheit und Unschuld, was nachvollziehbar ist. Aber auch noch etwas anderes, etwas wie Geheimnisse oder vielleicht auch Schweigen.«
»Erzählen Sie mir von den Menschen, die hier gelebt haben. Ich bin neugierig.«
»Lord und Lady Avondale? Ich glaube, er hat das Haus gekauft, als sie geheiratet haben, als Hochzeitsgeschenk für sie. Ganz einfach. Aber dann brach der Krieg aus, und er ging zur Luftwaffe, und das Leben kam ihnen in die Quere. Als sie einzogen, lagen die Dinge natürlich anders. Meine Mutter kam ins Haus, um für die frisch vermählte Braut zu arbeiten. Sie war eine berühmte Debütantin. Sie haben Wochenendpartys gefeiert, zu denen viele Gäste aus London kamen. Meine Mutter hat mir oft von ihnen erzählt: Aristokraten, Politiker und Künstler − glamouröse, weltgewandte junge Menschen, denen die Welt zu Füßen lag. Und natürlich ihre Schwester Baby.«
»Baby?«
»Ja. Also, ihr richtiger Name war Diana, aber alle haben sie nur Baby genannt. Es lagen nur zwei Jahre zwischen ihnen, aber Irene hat sich immer um Baby gekümmert, denn sie war ein wildes Ding, das ständig in Schwierigkeiten geriet. Baby gehörte einem Kreis an, der dumme Sachen anstellte, wie Schatzsuchen und Partyspiele und so tun, als wären sie Einbrecher, und in die Häuser der anderen einsteigen. Wirklich dumm. Das war natürlich, bevor sie verschwand.«
»Was glauben Sie, was ihr widerfahren ist?«
Jo zuckte die Achseln. »Das weiß niemand so genau. Im Laufe der Jahre gab es viele Spekulationen. Es waren immer mal wieder Journalisten hier, die im Haus herumspaziert sind und nach Hinweisen gesucht haben. Was ist aus Baby Blythe geworden? Irene hat ihr Leben lang nie darüber gesprochen. Baby brachte sich eben immer in Schwierigkeiten. Sagt meine Mutter jedenfalls. Ich meine, sie war schön und beliebt, aber auf die falsche Art, wenn Sie verstehen, was ich meine. Zu viele Liebhaber und zu viele schlechte Angewohnheiten. Die meisten Menschen glauben wohl, sie wurde umgebracht.«
»Umgebracht?«
»Ermordet. Oder sie kam bei einem Unfall ums Leben. Obwohl man keine Leiche gefunden hat.« Jo wischte die Arbeitsplatte ab. »Wer weiß? Soweit wir wissen, kann sie auch im Blitzkrieg umgekommen oder von einer Klippe gestürzt sein. Wie gesagt, Irene hat nie darüber gesprochen. Es gibt im ganzen Haus kein einziges Foto von ihr. Während des Krieges hat Irene sich ganz der Religion zugewandt. Und als er zurückkam, haben sie ein sehr ruhiges Leben geführt.«
»Der Gedanke, dass das Anwesen auf den Markt kommt, gefällt mir gar nicht.«
»Es ist schon verkauft. Vor zwei Wochen ist dieser Syms mit den Bauunternehmern gekommen. Sobald das Inventar versteigert ist, übernehmen sie. Sie wollen das alte Cottage abreißen. Neu anfangen. In zwei Jahren brauchen Sie eine Reservierung, um dieses
Weitere Kostenlose Bücher