Debütantinnen - Roman
Haus überhaupt sehen zu können. Gott!« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe mehr Stunden meines Lebens hier verbracht als in meinem eigenen Zuhause! Wenn man sich so um andere Leute kümmert, tritt das eigene Leben ganz in den Hintergrund.«
»Und was machen Sie jetzt?«, fragte Cate leise.
»Ich weiß nicht. Ich wollte immer reisen, aber Mum ist alt und gebrechlich. Ich weiß es wirklich nicht.« Sie tupfte sich mit dem Zipfel des Geschirrtuchs die Augen ab. »Ich kann einfach nicht glauben, dass es das war, nach all den Jahren.«
*
An diesem Abend aßen Cate und Jack in der Küche.
Jack ließ sich seinen Hühncheneintopf schmecken, während Cate ihr Gemüse nur an den Rand des Tellers schob.
»Was wissen Sie über Diana Blythe?«, fragte sie schließlich.
Er zuckte die Achseln. »Das, was jeder weiß. Sie galt irgendwann als vermisst. Sie war berühmt dafür, berühmt zu sein, schön, leichtsinnig. Eine der Salonladys der wilden dreißiger Jahre.«
»Sie meine, wie in Lust und Laster , dem Roman von Evelyn Waugh?«
Er nickte.
Cate zog dem Hühnchen die Haut ab und schob sie an den Tellerrand. »Finden Sie es nicht seltsam, dass hier nirgends ein Foto von ihr ist? Ich meine, sie waren immerhin Schwestern. Aber da ist nichts.«
»Viele Menschen haben keine Familienfotos. Einige finden es einfach zu privat. Und Irene fand es vielleicht zu schmerzlich, an sie erinnert zu werden, nachdem sie verschwunden war.«
»Was glauben Sie, was aus ihr geworden ist?«
»Ich weiß nicht. Ich habe nie darüber nachgedacht.« Er trank einen Schluck Wein. »Vielleicht ist sie durchgebrannt. Die jungen Leute damals haben doch die Beine in die Hand genommen, sobald das wirkliche Leben um die Ecke lugte.«
»Und was waren das für junge Leute?«
»Ach, verwöhnte, schöne junge Frauen, die keine Beschäftigung hatten.«
Es klang schärfer, als er beabsichtigt hatte. Er schaute auf.
Sie starrte ihn an. »Verstehe.«
Sie aßen schweigend, Spannung lag in der Luft.
»Habe ich Sie verärgert, Jack?«
Seine Gedanken überschlugen sich. »Wie sind Sie eigentlich in dieses Zimmer gekommen?«, fragte er plötzlich.
»Ich habe das Schloss geknackt.«
Er sah sie blinzelnd an. »Oh.«
Plötzlich lachte sie.
Auch er lachte.
»Ja, ich kann Schlösser knacken, Jack. Ich kann auch ein Auto kurzschließen, wenn es sein muss.«
»Und wo haben Sie das gelernt?«
»Von meinem Vater, einem professionellen Säufer.«
»Sie sind nicht das, was Sie zu sein scheinen.«
»Und das wäre?«
»Mir schießt die Formulierung › Sie sehen aus, als könnten Sie kein Wässerchen trüben ‹ durch den Kopf.«
»Das Äußere kann täuschen.«
»Ich hätte daran denken sollen, dass das zu Ihrem Handwerkszeug gehört.«
Er wusste nicht, warum er das gesagt hatte. Für einen kurzen Augenblick hatte sich die Atmosphäre zwischen ihnen entspannt. Warum musste er wieder so eine spitze Bemerkung machen? Es war, als könnte er nicht anders.
»Nicht unbedingt«, sagte sie schließlich, faltete ihre Serviette und stand auf. »Es war ein langer Tag.«
»Es tut mir leid.« Er wollte aufstehen, doch er stieß gegen den Tisch, und der Wein schwappte über seinen Teller. »Verdammt!« Er tropfte auf seine Hose. Jack schnappte sich seine Serviette und wischte energisch an dem Fleck herum.
»Hier.« Sie reichte ihm ein Geschirrtuch und stapelte die Teller in die Spüle.
Ihre Ruhe war aufreizender als seine Unbeholfenheit. Er warf die Serviette weg, ohne weiter auf die Flecken zu achten.
»Cate …« Er nahm ihre Hand.
Sie schaute erschrocken auf. Für einen kurzen Moment hatte er ihr die Maske heruntergerissen.
Er griff nach ihrer anderen Hand.
»Ich weiß, dass Sie mich nicht mögen.« Ihre Stimme knallte wie eine Peitsche, die ihn abwies.
»Das ist nicht wahr.« Er verstärkte seinen Griff.
»Aber wir könnten wenigstens höflich sein.« In ihrem Tonfall war etwas Unfertiges, fast Flehendes.
»Das ist nicht wahr«, sagte er noch einmal leise und beugte sich vor. Der zarte Duft ihres leichten Parfüms mit einem Hauch von Zitrone vermischte sich mit der dunkleren Wärme ihres Haars und ihrer Haut. Ihr Körper neigte sich seinem ganz leicht entgegen. »Das ist nicht wahr.«
Irgendwo im Haus klingelte ein Telefon − schrill und beharrlich.
Er ließ sie los, und sie machte einen Schritt nach hinten und verschwand mit gesenktem Kopf den dunklen Flur hinunter.
Auf dem Tisch im Salon stand ein Telefon. Sie nahm den Hörer.
»Hallo? Hallo?«
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