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Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renegald Gruwe
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Reise nach Berlin anzutreten.
    Nach der Passkontrolle, dem Vorzeigen seiner Visa und einer ausgiebigen skeptischen Musterung seiner Person ließ der uniformierte Beamte Gustave Garoche mit einem ›Heil Hitler‹ in das Deutsche Reich einreisen.
    Am Schalter des kleinen Bahnhofs kaufte er eine Fahrkarte und beschloss, bis zur Abfahrt des Zuges in einer Stunde etwas zu frühstücken. Zweihundert Meter weiter, an einem rauschenden Bach, lag ein Gartenlokal. Da es schon recht warm und sonnig war, suchte sich der Künstler einen Platz an einem der grün-lackierten Holztische mit abgeplatztem Lack und bestellte Kaffee und Brötchen.
    Das vom Kleiderständer geholte Blatt ›Der Angriff‹, in einer Holzschiene notdürftig zusammengehalten, gab Verhaltensempfehlungen für die Bevölkerung Deutschlands im Allgemeinen und Berlins im Besonderen. Im Gegensatz zu dem, was Garoche über das derzeitige Leben in Deutschland in anderen Zeitungen gelesen hatte, dass nämlich der Volksgenosse keineswegs zimperlich im Umgang mit Juden, Kommunisten und Andersdenkenden sei, predigte dieses Blatt seinen Lesern eine überraschend liberalere Einstellung. Seine Empfehlung lautete: Gegenüber den Gästen der Olympiade, die in zwei Monaten eröffnet werden sollte, müsse man charmanter als die Pariser sein, leichtlebiger als die Wiener, lebhafter als die Römer, kosmopolitischer als die Londoner und praktischer als die New Yorker.
    Garoche sah sich unter dem Publikum des Lokals zu dieser frühen Stunde um und blickte in die Gesichter der Gäste, dabei konnte er nicht erkennen, was sie von den Schweizern auf der anderen Seite des Rheins unterschied. Auch die Menschen, die er in Österreich kennengelernt hatte, tranken ihr Bier oder ihren Wein, lachten, waren manchmal ein wenig unfreundlich und dann wieder von erfrischender Herzlichkeit. So wie die blasse, schwarzhaarige Bedienung, die soeben Garoches Bestellung vor ihm auf den Tisch stellte.
    Die Italiener hatten vielleicht mehr Temperament als die Deutschen, und die Belgier, seine Landsleute, übten sich im Gegensatz dazu in äußerster Zurückhaltung. Er hatte die Berichte in ausländischen Zeitungen über Deutschland und seine Einwohner verfolgt. Stimmte das, was verbreitet wurde?
    Der Schluck Kaffee, den Garoche nahm, war stark und erinnerte ihn an Venedig. Noch eine Gemeinsamkeit von Italienern und Deutschen – sah man von der Freundschaft zwischen Benito Mussolini und Adolf Hitler einmal ab.
    Eine Frau mit auffallend blondem Haar blieb mit einem Koffer in der Hand im Eingang unter dem Schild ›Gartenwirtschaft‹ stehen und sah in die Runde der Gäste. Das Lokal war um diese Zeit bereits gut besucht. Sie war groß, hatte ein schlanke Figur und rot lackierte Fingernägel. Rot wie der Sonnenuntergang am Pass von Altare bei Genua, den Garoche auf seiner Reise über die Alpen gesehen und noch am gleichen Abend in einem Gasthof gemalt hatte. Dasselbe Rot umrahmte nun den weißen Kreis mit dem schwarzen Hakenkreuz auf der Fahne, die sich am Mast über dem Schild leicht im Wind wiegte.
    Die Blonde, nach Garoches Schätzung Anfang dreißig, betrat den Garten der Gastwirtschaft, setzte sich halb absichtlich, halb unabsichtlich auf einen der wackligen grün gestrichenen Gartenstühle schräg gegenüber dem Maler und gab ihm so Gelegenheit, sie genauer zu betrachten. Neben ihren Stuhl hatte sie eine große Reisetasche und ihren Koffer auf den Kies abgestellt.
    Das Sommerkleid mit dem tiefen, die Fantasie anregenden Ausschnitt fiel leicht und locker über ihre Schenkel und betonte das bloße übergeschlagene Knie. Der Fuß, in einem Hackenschuh mit freier Ferse, wippte in einem fort. Nervös spielte sie mit der Kordel an der Speisekarte aus geflochtenem Bast und sprach, als die Bedienung kam, um die Bestellung aufzunehmen, lauter, als es die Situation erforderte. Dem Dialekt nach kam sie aus Österreich. Vermutlich aus Wien.
    Der Hut, trichterförmig gearbeitet, erinnerte Garoche an den Gipfel des Vesuvs. Nur dass kein Rauch aus dem Krater kam. Die Augen der jungen Frau wurden vom Schatten des Huts verdeckt, und er konnte nicht sehen, ob sie ihn fixierte. Genau so, mit der wehenden Hakenkreuzfahne, den Bergen und dem blauen Himmel im Hintergrund, musste er sie malen. Die blonden, schulterlangen Haare würde er dabei im Geiste verlängern und eventuell zu einem Knoten binden. Diese Art der Kunst schien in Deutschland sehr gefragt zu sein. Garoche erinnerte sich an eine große Ausstellung aktueller

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