Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Terpentin und Leinölfirnis roch und eine ordentliche Lüftung unbedingt vonnöten war. Also beschränkte der »Herr Maler« die Gastspiele des großen Tenors auf die Stunden, in denen die Fenster ohnehin geschlossen waren, um Frau Schröder weitere Qualen zu ersparen.
Als die Tür zu Eduards Wohnung geöffnet wurde, erschrak Gustave Garoche aufs Heftigste. Er hatte seinen Freund in der braunen Uniform nicht erkannt und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Erst das bekannte Lachen und die wohltuende Umarmung ließen den Maler aufatmen und der Aufforderung folgend die Wohnung betreten.
»Die Mitgliedschaft in der SA ist nur ein Teil des Plans. So wie du damals in Eupen beschlossen hast, Erfolg zu haben, so habe ich beschlossen, zu überleben. Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich war bei einem wichtigen Termin und hatte keine Zeit, mich umzuziehen.«
»Ich habe beschlossen, nicht zu verhungern, um genau zu sein«, stellte Gustave richtig. »Dass ein gewisser Erfolg dazukam, war eine angenehme Nebenerscheinung. Im Übrigen steht dir Braun überhaupt nicht. Diese Farbe«, er nahm zögernd ein Stück Stoff von Eduards Uniformhemd zwischen die Finger und prüfte die Verarbeitung. »Könnte ich mir bestenfalls als Hintergrund eines Aquarells von der südspanischen Ebene in Andalusien vorstellen. Aber nicht, um sie am Leibe zu tragen.«
»Du bist eben ein Künstler, ich bin nur ein Rechtsverdreher, und da gibt es außer der schwarzen Robe nicht viel Farbe. Apropos Gesetz: Stellst du immer noch in der Galerie in New York aus, wie war noch gleich der Name?«
Gustave sah seinem Freund fest in die Augen und erwiderte im gleichen spöttischen Ton: »Ich glaube, du willst gar nichts von dieser Galerie wissen, mein alter Freund. Womöglich müsstest du mich sonst noch anzeigen.«
»Ja, lassen wir das«, wurde Eduard Defries ernst. »Es ist besser, wenn ich nichts weiß, und du solltest dich vorsehen mit deinen kleinen Schummeleien, besonders in Berlin.«
»Ich werde mich bemühen«, versprach Gustave und kam auf den Anfang ihres Gesprächs zurück. »Seit wann bist du in der Organisation?«
»1934, als ich nach Berlin umgezogen bin.«
»Dann warst du ja schon ein Sturmmann, als du mich in Neapel besucht hast?!«
»Ja, aber ich möchte mich nicht als Sturmmann bezeichnen.« Eduard war es unangenehm, dass sein Freund ihn überhaupt in dieser Uniform zu Gesicht bekommen hatte. Am liebsten hätte er seine Mitgliedschaft in der SA verschwiegen.
»Mir macht es nichts aus«, vertrieb Gustave die Selbstvorwürfe Eduards. »Was macht es? Du bist noch derselbe wie früher. Wir sind Freunde, was soll da schon sein?«
»Ja, du hast recht. Komm, ich will dir jetzt dein Zimmer zeigen.«
Gustave schlug seinem Gastgeber freundschaftlich auf die Schulter und fügte mit ein wenig Spott an: »Hoffentlich verlangst du nicht, dass ich dich in deiner Uniform malen soll. Sonst müsste ich dir auf der Stelle die Freundschaft aufkündigen.«
»Keine Sorge, ich habe keineswegs die Absicht, mich in dieser Kluft für nachfolgende Generationen porträtieren zu lassen.«
Eduard führte seinen Freund durch die Wohnung. Auf der linken Seite des rechteckigen Flures im Eingangsbereich betrat man durch eine Flügeltür, die auf Schienen auseinandergezogen werden konnte und deren Milchglas kunstvoll mit ineinander verschlungenen weiblichen Körpern, Ranken und Blättern verziert war, ein großes Zimmer. Bevor er eintrat, prüfte Gustave Garoche mit kundigem Blick die Figuren auf der Glasscheibe und wirkte entzückt. Von diesem Raum gingen zwei weitere, etwas kleinere Zimmer rechts und links ab, von dem eines Garoche als Schlafzimmer dienen würde. Vom herrschaftlichen Flur mit der Eingangstür lag zur Rechten hin ein großzügiger Raum zum Hof hin. An den Flur schloss sich ein kleinerer Flur an, der sich teilte und zu zwei weiteren zur Nebenstraße hinaus gelegenen Räumen führte.
Am Ende des Flurs befand sich die Tür zum Dienstbotenaufgang, der, weil nicht mehr benutzt, mit einem Regal für Weinflaschen verstellt war.
»Von denen«, kündigte Eduard genüsslich an, »werden wir am Abend die ein oder andere leeren und«, er griff an die Seite des Regals und holte eine italienische Salami hervor, »die wird dir dabei besonders schmecken. Habe ich extra vom Feinkosthändler besorgen lassen.«
Gustave lächelte über die neapolitanische Erinnerung. Damals, als Eduard ihn besucht hatte, war der Maler ein wenig knapp bei
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