Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
verschlagen?
Garoche war müde und uninspiriert. Da er die Stimme des Meistertenors nicht an sich binden konnte, sah er sich vergebens nach einem Halt, einer Aufgabe um. Maria sollte zurück zu ihrem Mann gehen oder auf den Campo Morosini, wo sie sich kennengelernt hatten, sich in eine neue Affäre stürzen oder vom Balkon der Residenz ihres Mannes, des spanischen Botschafters in Italien, springen. Ihm war es gleichgültig.
»Was tust du, verrückter Franzose? Versuchst du jetzt schon Talent aus der Luft zu fangen?«, schallte es lachend von der Straße zu ihm herauf. »Glaub mir, es ist sinnlos. Es wäre wie der Esel, der versucht, die Mohrrübe vor seiner Nase zu erhaschen.«
»Ich bin Belgier!«, gab Garoche ungehalten zurück, während er sich über das Geländer seines Balkons beugte, »und verrückt soll ich werden, wenn ich noch einmal von deinem vermaledeiten Wein trinke. Mir singt heute noch der Schädel.«
Augustino war ebenfalls ein Maler aus der überschaubaren Künstlergemeinde auf der Insel Burano. Ab und zu saßen sie zusammen mit anderen vor ihren Häusern auf Holzbänken, tranken Rotwein und sprachen oder stritten über die Kunst. Doch ähnlich wie Marias Glanz war seit geraumer Zeit die Intensität ihrer Gespräche nicht mehr dieselbe. Es strengte den Maler an, seinen Kollegen die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie beanspruchten. Ja, die meisten Abende fingen ihn bereits nach ein, zwei Gläschen an zu langweilen.
Auch sonst gab es in Venedig kein Weiterkommen. Der kleine Mann mit der Hornbrille und dem Buckel aus der Galerie Colleoni hatte drei Bilder von Garoche verkauft und wurde langsam misstrauisch. Denn die gefälschten Verträge mit Galerien aus Paris, New York und zuletzt sogar aus Rom trugen nur bedingt zum Verkauf der Werke des Malers bei.
Als Garoche sich in der Galerie bei Signore Colleoni vorstellte und seine Biografie vorlegte, war dieser zunächst überrascht, dass ein so gefragter Künstler ausgerechnet in seiner Galerie eine Ausstellung plante. Dass der internationale Kunstbetrieb einem Maler die Konzentration und die Inspiration raubte und er deshalb eine kleinere Galerie bevorzugte, zerstreuten schließlich die Zweifel des leichtgläubigen Kunsthändlers. Signore Colleoni kannte viele Künstler, und deren Befindlichkeiten waren ihm nicht fremd. Zudem war dem Galeristen ein bekannter Name natürlich hochwillkommen, auch wenn dieser nur auf dem Papier unter den Verträgen der Galerie Julien-Levy in New York und der Galerie Marais in Paris stand. Signore Colleoni war ein unbedeutender Händler, und seine Käufer waren unwissende Kunstliebhaber, meist Touristen, die glaubten, ein Schnäppchen bei ihm zu machen. Wenn man diese Bilder und den Künstler in Paris und New York für wichtig genug erachtete, sie auszustellen und zu kaufen, so mussten sie den angegebenen Preis wert sein.
Dass Garoche neben dem Leben eines Künstlers dasjenige eines Betrügers führte, störte ihn nicht besonders. Er hatte eines Tages in seinem Atelier in Eupen, seiner Heimatstadt, beschlossen, nicht zu verhungern. So war er auf die Idee gekommen, sich Zertifikate und Verträge von berühmten Galerien zu besorgen und diese, nun ja, zu manipulieren. Fälschen wollte er das nicht unbedingt nennen. Er fälschte ja keine Bilder, sondern lediglich die Etiketten daran. Je weiter weg die Kunsttempel lagen, umso geringer war die Möglichkeit, dass einer der Galeristen, die Garoches Werke ausstellten und verkauften, nachprüfte, ob es mit den Papieren auch seine Richtigkeit hatte. Und einigen kleineren Kunsthändlern war es ohnehin egal. Hauptsache, die Geschäfte liefen.
Die Fähre von der Insel Burano tuckerte über die nächtliche Lagune. In der Ferne, im Osten, konnte Garoche die Leuchtfeuer des Porto di Lido sehen, und ein Abglanz der Sterne funkelte verheißungsvoll auf dem schwarzen Wasser unter ihm. Vor ihm lag der Abschied von Maria.
Sie trafen sich in einer Trattoria zum Abendessen. Es ging alles sehr schnell. Noch vor dem Hauptgericht hatte er ihr die Trennung vorgeschlagen. Sie hatte klaglos akzeptiert. Eine letzte Nacht mit ihm zu verbringen empfand sie indes als Beleidigung, und der so harmonisch begonnene letzte Abend endete in einem derart lautstarken Streit, dass sogar der Kellner zur Mäßigung mahnte. Nun lehnte Garoche über der Brüstung des Rio del Malpaga und sah seiner Spucke nach, die ins Wasser fiel und mit der Strömung fortgetragen wurde.
Maria hatte ihn vor dem Restaurant
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