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Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Titel: Deer Lake 01 - Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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weil sie ihre Chance verspielt
hatte. Alles schien bereits kälter, leerer, als wüßte der Ort, daß sie gehen mußte.
    …wenn du mich brauchst …
    »Mitch?« Sie haßte die Schwäche in ihrer Stimme, die Echos aus einer langen, einsamen Vergangenheit, aber Gott steh ihr bei, heute nacht wollte sie nicht mit diesen Gespenstern allein sein.
    Er ging neben dem Bett in die Hocke und musterte sie im dämmrigen Licht. Sie schloß die Augen vor ihren Tränen, beschämt, weil er sie sah. »Halte mich. Bitte.«
    Mitch schnürte es die Kehle zu. Er berührte ihre Nase mit einer Fingerspitze und sagte mit belegter Stimme: »Mensch, O’Malley, ich dachte schon, das erlaubst du mir nie.«
    Er zog seine Stiefel aus und machte es sich hinter ihr bequem, das alte Bett ächzte und stöhnte unter ihrem gemeinsamen Gewicht. Dann vergrub er sich neben ihr, nahm ihre Hand in die seine und küßte ihre Haare so zart, daß sie es vielleicht gar nicht spürte – schließlich wurde sie vom Schlaf übermannt.

Kapitel 33

TAG 10 19 Uhr 24, – 34 Grad, Windabkühlungsfaktor: – 41 Grad
    »Hannah, die Angst ausgenommen, was empfinden sie bei dieser Tortur?«
    Hannah holte tief Luft, überlegte sorgfältig, genau wie bei jeder der vorhergehenden Fragen. Sie zwang sich, die Präsenz der Kameras und Lichter zu verdrängen und sich ganz auf das besorgte Gesicht der Frau, die ihr gegenüber saß, zu konzentrieren. So sah sie Katie Couric – als Frau, als Mutter, nicht als Berühmtheit oder Reporterin.
    »Verwirrung, Frust«, sagte sie. »Ich begreife nicht, wieso ausgerechnet uns so etwas passiert. Es ist nicht einmal ansatzweise zu verstehen, der reinste Horror.«
    »Haben Sie das Gefühl, daß es sich hierbei um eine Art persönlichen Angriff oder einen Rachefeldzug handelt?«
    Hannah senkte den Blick auf die Hände in ihrem Schoß und das Taschentuch, das sie zu einem Knoten geknüllt hatte. »Ich mag nicht einmal denken, daß jemand, den wir kennen, zu dieser Art Grausamkeit fähig ist.«
    Couric beugte sich in ihrem kleinen, rosa Damaststuhl leicht nach vorne. Die NBC-Nachrichtencrew hatte den größten Teil des obersten Stockwerks vom Fontaine in Beschlag genommen. Das Fontaine war ein elegant restauriertes viktorianisches Hotel in der Innenstadt von Deer Lake, mit Antiquitäten und Reproduktionen eingerichtet. Die Crew hatte die Rose Suite für das Interview gewählt, teils wegen ihrer Schönheit, teils wegen der Größe.
    »Hannah, Sie waren heute morgen an einem Vorfall in der katholischen Kirsche von St. Elysius beteiligt«, fuhr Katie Couric vorsichtig fort. »Pater Tom wurde von Albert Fletcher angegriffen, der Mann, der
Josh im Katechismus unterrichtete und ihn als Ministranten beaufsichtigte. Später an diesem Morgen traf die Polizei auf eine bizarre Entdeckung in Mr. Fletchers Haus – sie fanden die Überreste einer Leiche, wahrscheinlich die seiner Frau, die vor einigen Jahren starb. Die Behörden haben eine Großfahndung nach Albert Fletcher eingeleitet. Glauben Sie, er könnte an Joshs Entführung beteiligt gewesen sein?«
    »Ich war so entsetzt, als es passierte – der Überfall«, erwiderte Hannah, »daß ich immer noch unter Schock stehe. Niemals hätten wir bei ihm Gewalttätigkeit vermutet, so daß wir ihm unseren Sohn nicht anvertrauen könnten. Das ist ein Teil meiner Erschütterung. Ich habe diese Stadt immer als sicher betrachtet, hab die Menschen in unserem Leben als gute Menschen empfunden. Jetzt liegen überall Scherben – ich bin verzweifelt, weil ich das Gefühl habe, allzu naiv gewesen zu sein.«
    »Macht es Sie besonders wütend, daß ausgerechnet Sie betroffen sind, wo Sie doch als Ärztin soviel für die Menschen von Deer Lake getan haben?«
    Ruhig durchatmen, genau überlegen. Sie war dazu erzogen, den Menschen zu dienen, Hingabe zu praktizieren, ohne persönliche Bereicherung zu erwarten. Ihre Antwort verursachte ihr im selben Augenblick Schuldgefühle, aber es war eine ehrliche Antwort und sie flüsterte mit zusammengebissenen Zähnen: »Ja.«
    Paul sah sich das Interview im tragbaren Fernseher in seinem Büro an und kochte vor Eifersucht, die er sich aber nie eingestehen würde. Regionalsender waren für Hannah nicht gut genug. Sie mußte gleich im nationalen Fernsehen auftreten. Wahrscheinlich brach sie gerade im ganzen Land die Herzen mit ihren tränenüberströmten blauen Augen und der leisen Stimme. Die Kamera liebte sie. Sie sah aus wie ein Star mit ihren lose gesteckten, lockigen goldenen

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