Deer Lake 02 - Engel der Schuld
in Kaffeehausschwarz.
Cameron zog eine Augenbraue hoch. »Ist sie in Trauer oder so was?«
»Tod einer knospenden Romanze. Einer der kleineren Geier hatte sie im Visier. Ich habe ihm Beine gemacht.«
»Wow. Sie würden eine tolle Mutter abgeben, Ellen.«
Ellen warf ihm einen ironischen Blick zu. »Ist das ein Antrag?«
»Eine Beobachtung. Sie sind bildschön, aber Sie machen mir angst.«
Sein Scherz entlockte ihr ein Kichern. »Danke, Cameron. Sie sind wie der kleine Bruder, den ich nie haben wollte.«
»He, meine Schwestern sagen das auch!«
»Na, das sollte Ihnen doch zu denken geben.«
Er wurde wieder ernst und sah sie besorgt an. »Wie geht es Ihnen denn seit gestern abend? Gott, Ellen, Sie hätten mich doch anrufen können, damit ich zu den Kirkwoods gehe. Nach dem, was hier passiert ist . . .«
»Ich habe ohnehin nicht geschlafen«, sagte sie. »Jedesmal, wenn ich die Augen zugemacht habe, habe ich das Foto von Josh gesehen.«
»Vielleicht werden die Zauberer im Labor etwas darauf finden. Etwas im Hintergrund, das uns vielleicht einen Hinweis darauf gibt, wo er festgehalten wurde.«
Das Bild vor Ellens innerem Auge war zu deutlich. Josh, im gestreiften Schlafanzug, das Gesicht so leer wie der Hintergrund. Seine Hautfarbe kränklich weiß durch das Blitzlicht, ein krasser Gegensatz zu der Dunkelheit hinter ihm. Er schien in einem schwarzen Vakuum zu stehen.
»Vielleicht«, murmelte sie ohne große Hoffnung.
»Also, wird Grabko in diesen Krankenblättern etwas finden?«
Ellen schüttelte den Kopf, dankbar für den Themenwechsel. Sie hatten verschiedene Dinge zu erledigen. Es war besser, sich darauf zu konzentrieren als auf das, was sie nicht ändern konnten oder nicht unter Kontrolle hatten.
»Costello macht Rauch«, sagte sie, »in der Hoffnung, daß die Presse ›Feuer‹ schreien wird.«
»Aber er sät dabei Zweifel in Grabkos Kopf.«
»Grabko muß aufgrund des Beweismaterials entscheiden. Da sollte sich die Waage wohl zu unseren Gunsten neigen.« Sie klopfte mit der vorläufigen Laboranalyse auf den Tisch. »Joshs Blut war auf diesem Laken. Joshs Haare waren auf diesem Laken. Garrett Wrights Haare waren auf diesem Laken. Das ist unser erstes konkretes Beweisstück, das Wright mit Josh in Verbindung bringt.«
»Da fragt man sich, was zum Teufel Wright sich gedacht hat, als er O'Malley an diesem Abend in das Laken wickelte.«
»Er hat gedacht, er würde uns entwischen. Er hat gedacht, daß er unbesiegbar sei. Daß es, selbst wenn er uns diesen Beweis lieferte, keinen Unterschied machen würde, weil wir ihn ohnehin nicht hätten.«
Es war eine Verhöhnung, genau wie das Foto von Josh. Hatte dieses Foto einen Tag oder eine Woche lang in ihrer Schublade gelegen? Wann hatte sie diese Schublade zuletzt geöffnet?
Sie schob ihre Brille auf die Nasenspitze und sah ihren Kollegen über den Rand hinweg an. »Wie steht's mit Ihrer Darlegung der Beweisgründe? Wir haben Garrett Wright doch am Wickel, oder?«
Er grinste sie unverschämt an, während er ein Dokument aus seiner Aktentasche holte. »Anthony Costello sollte sich wünschen, seine hochdotierten Mitanwälte könnten einen so guten Schriftsatz schreiben. Er kriegt keinen Fuß auf den Boden, wenn er die Verhaftung aufgrund der Bestimmungen aus dem Vierten Zusatz anfechten will.«
Ellen zupfte ihm den Schriftsatz aus den Fingern und las ihn durch. Sie fühlte sich so zuversichtlich, wie es ihr möglich war, daß Richter Grabko zu ihren Gunsten entscheiden würde. Camerons Argumente waren stichhaltig, und ganz abgesehen davon war der Fall zu groß, um die Verhaftung wegen eines zweifelhaften technischen Fehlers für nichtig zu erklären.
Auch Costello mußte das wissen. Seine Strategie war ein Beispiel für das, was Ellen eine »Müllschlucker«-Verteidigung nannte: Ein Anwalt führte noch die nebensächlichsten Argumente und lächerlichsten Verdächtigungen ins Feld, um von den wesentlichen Fragen abzulenken. Und um die Energien der Anklage fehlzuleiten. Cameron hatte Stunden mit diesem Schriftsatz zugebracht, eine Argumentation gegen etwas aufgebaut, das letztendlich nur ein Bluff Costellos war. Er hätte diese wertvolle Zeit nutzen können, die Anklage gegen Wright zu untermauern.
»Haben Sie gehört, daß der toxikologische Bericht über Joshs Blut eingetroffen ist?« fragte sie. »Spuren von Triazolam, auch bekannt als Halcion.«
»Wenn wir Wright nachweisen könnten, daß er in einer Apotheke ein solches Rezept eingelöst hat . .
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