Deichgrab
entgegen, »so ein Zufall, gerade habe ich an dich gedacht und wollte dich anrufen.«
An ihrer Stimme konnte er erkennen, dass sie ihm die kleine Notlüge nicht abnahm.
»Wo steckst du denn? Ich versuche seit gestern Abend, dich zu erreichen. Hättest dich ja mal melden können. Ich sitze schließlich hier und mache mir Gedanken.«
Die Vorwürfe ließen sofort einen dicken Kloß in seinem Hals wachsen. Knapp berichtete er ihr, was er bisher gemacht hatte. Den Besuch bei Pastor Jensen und die Neuigkeit über Onkel Hannes ließ er aus.
»Es gibt noch jede Menge zu erledigen. Ich weiß noch nicht genau, wann ich wieder nach Hause komme.«
»Das ist aber schade«, bemerkte Monika und ihre Stimme klang beleidigt, »du wolltest doch mit mir zu Ullas Geburtstag gehen.«
»Kann ich dir jetzt noch nicht versprechen. Wie gesagt, es gibt hier noch eine Menge zu tun. Ich melde mich dann wieder.«
Bevor Monika noch Einwände erheben konnte, sagte er ihr noch schnell, dass er sie vermisste und legte auf. Es gab wirklich noch eine Menge zu tun. Davon war er plötzlich fest überzeugt.
Frieda Mommsen schloss die Tür zu ihrer kleinen Wohnung auf. Im Flur hängte sie den schilffarbenen Trenchcoat an die Garderobe und ging in die Küche.
Sie schaltete das alte Kofferradio ein, setzte den Wasserkessel auf den Herd und holte die Teedose aus dem Hängeschrank über der Spüle. Dann setzte sie sich mit der Zeitung an den kleinen, runden Küchentisch.
Sie hatte gerade den Lokalteil halb durchgeblättert, als es an der Haustür klingelte. Verwundert blickte Frieda auf, warf einen Blick auf die Küchenuhr. ›Wer kann das denn wohl sein?‹, fragte sie sich, während sie zur Haustür ging.
Vor der Tür stand Pastor Jensen.
»Moin Frieda, na wie geht es dir? Ich war gerade bei Helene im Laden und dachte mir, ich schau mal vorbei und frag, wie es dir und Lorentz so geht.«
Frieda war sprachlos. Noch nie hatte Pastor Jensen nur so bei ihr vorbeigeschaut. Sie wusste nicht, ob er erwartete, dass sie ihn hineinbat.
»Mögen Sie vielleicht eine Tasse schwarzen Tee?«, fragte sie unsicher.
Pastor Jensen nickte. Frieda ging in die Küche, räumte hastig einige Zeitungsausschnitte vom Tisch. Dann holte sie aus dem Hängeschrank eine zweite Teetasse.
Der Geistliche hatte sich bereits an den Küchentisch gesetzt. Frieda stellte die Tasse vor ihm auf den Tisch.
»Und wie geht es Lorentz?«
»Ach, eigentlich wie immer, nichts Dolles. Ich bin gerade vom Pflegeheim nach Hause gekommen. Heute war er gar nicht gut drauf. Das Herz macht ihm wohl wieder zu schaffen. Und ’ne Menge dummes Zeug redet er. Manchmal verstehe selbst ich nicht, was er meint. Der Arzt sagt, dass es noch schlimmer werden wird. So ist das wohl bei Alzheimer.«
Pastor Jensen nickte verständnisvoll.
»Ich wünsche dir viel Kraft, Frieda. Ich bete viel für Lorentz und dich.«
»Danke Pastor, das gibt mir Kraft und Hoffnung. Die anderen vom Landfrauenverein sagen mir auch immer, dass Gott es schon richten wird. Ich bin froh, dass mir wenigstens der Kontakt zum Verein noch geblieben ist. Es ist nicht ganz so schwer, wenn man Beistand hat. Die junge Meike...«
»Ach, wo du gerade den Landfrauenverein erwähnst, ihr wisst doch immer ziemlich genau, was so im Dorf los ist.«
Frieda nickte.
»Weißt du, der Tom Meissner war gerade bei mir und wir haben uns unterhalten. Ich möchte ihm gerne ein bisschen unter die Arme greifen. Kennt ihr nicht jemanden, der an dem Haus von Hannes interessiert sein könnte? Der Tom will es wohl verkaufen.«
»Wer will denn schon das Haus von diesem Mörder kaufen?«
Ihre Wangen röteten sich, sie schaute abweisend. »Da wüsst ich keinen, der sich dafür interessiert.«
Er versuchte noch einmal das Thema anzusprechen, aber Frieda ging überhaupt nicht darauf ein. Stattdessen erzählte sie, dass sie neulich von Petra Martens Rhabarber bekommen und für den ganzen Landfrauenverein Kompott gekocht hätte.
Pastor Jensen trank seinen Tee aus und stand auf. An der Haustür drehte er sich noch einmal um.
»Warst du das eigentlich neulich, die ich an dem Grab von Hannes Friedrichsen gesehen habe?«
Frieda wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Mit zitternden Händen hielt sie sich am Türrahmen fest.
»Wie kommst du denn darauf? Wieso sollte ich das Grab dieses Mörders besuchen?« Ihre Stimme klang schrill.
»Nur so, mir war, als hätte ich dich neulich dort auf dem Friedhof gesehen.«
5
Tom wollte auf dem Heimweg noch einkaufen
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