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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
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Küche aufräumen und das Abendessen vorbereiten. Ich schreibe dir aber bald wieder.

     
    Viele liebe Grüße,
    Dein Tom

     
    T om legte den Brief zurück in den Schuhkarton. Ungefähr ein Dutzend Briefe hatte er bereits gelesen und noch immer befanden sich bestimmt doppelt so viele ungeöffnet darin. Mit jedem Brief wurde ihm klarer, welche Auswirkungen die Gerüchte über Onkel Hannes auch auf ihn gehabt hatten. Obwohl die ganze Sache schon etliche Jahre zurückgelegen hatte, als er zu Onkel Hannes gekommen war. Aber wie hatte Pastor Jensen gesagt? ›Die Leute im Dorf vergessen nur sehr langsam.‹ Wie recht er damit hatte, wurde Tom mit jedem Brief bewusster.
    Er hatte es sich mit einem alten Gartenstuhl auf der Veranda gemütlich gemacht. Sein Blick schweifte über den Garten. Alles wirkte leicht verwildert, aber ihm gefiel das irgendwie.
    Er stand auf und holte sich einen Notizblock und Kugelschreiber aus der Küche.
    Was musste er in den nächsten Tagen alles erledigen? Strom und Telefon abmelden, Nachsendeauftrag für die Post stellen, Makler aufsuchen, Container bestellen, Sachen sortieren. Er schrieb alles auf den Notizblock.
    Gedankenverloren knabberte er auf dem Kugelschreiber herum. Dann riss er das Blatt vom Block und schrieb auf eine zweite Seite alles, was ihm zu Onkel Hannes einfiel. Es war nicht viel: dass er beim Deichbauamt gearbeitet haben musste, sein Geburts- und Sterbedatum, Gerichte, von denen Tom wusste, dass sein Onkel sie gerne gegessen hatte und die Anschuldigungen, von denen er am Morgen erfahren hatte. Es musste doch irgendwie eine Möglichkeit geben, mehr zu erfahren.
    Der verbotene Schrank fiel ihm ein. Es war ein klobiger, dunkler Eichenschrank, der neben dem alten Cordsofa im Wohnzimmer stand. Onkel Hannes hatte ihn stets verschlossen gehalten und den Schlüssel immer in seiner Hosentasche getragen.
    Tom sparte sich die Suche nach dem Schlüssel und griff gleich zu der Werkzeugkiste, die unter der Eckbank in der Küche stand. Der Dietrich lag unter dem Schraubenzieher.
    Im Wohnzimmer war es dunkel. Er schaltete die kleine Stehlampe auf der anderen Seite des Cordsofas an. Ein matter Lichtstrahl erhellte den Raum.
    Mit einem leisen Knack öffnete sich bereits beim ersten Versuch die oberste Schublade. Langsam zog er sie heraus. Sie war leer. Tom war enttäuscht. Mit zitternden Händen machte er sich an der nächsten Schublade zu schaffen. Ein Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, überkam ihn. Reflexartig drehte er sich um.
    Die zweite Schublade ließ sich nicht so leicht öffnen. Umständlich hantierte Tom mit dem Dietrich an dem Schloss herum, bis sie sich endlich öffnen ließ. Eine Art Triumphgefühl ergriff ihn. Mit einem kräftigen Ruck zog er die Lade auf. Fein säuberlich geordnet lagen hier der Personalausweis von Onkel Hannes, ein blaues Sparbuch und Dokumente des Hauses.
    Er nahm den Ausweis heraus, betrachtete das Passbild. Wie jung er darauf aussah. Von wann das Bild wohl war? Dem Gültigkeitsdatum konnte er entnehmen, dass der Pass bereits seit zwei Jahren abgelaufen war. Ob Onkel Hannes das überhaupt aufgefallen war? Ob es ihn interessiert hatte?
    Er legte den Ausweis zurück in die Schublade und griff nach dem Sparbuch. Monat für Monat waren dem Konto 1500 DM gutgeschrieben worden. Immer zum Ersten des Monats. Das Guthaben war jedoch nicht besonders hoch, da das Geld immer sofort wieder abgehoben worden war. Manchmal der gesamte Betrag, manchmal weniger. Die letzte Gutschrift war im Januar dieses Jahres verbucht. Onkel Hannes hatte das Geld in voller Höhe abgehoben. Danach waren keine Umsätze mehr im Buch verzeichnet. Merkwürdig. Warum war wohl kein Geld mehr eingegangen? Oder hatte Onkel Hannes die Beträge nur nicht nachtragen lassen? Eher unwahrscheinlich, denn schließlich hatte er ja Monat für Monat auch von dem Geld verfügt. Warum sollte er gerade in den letzten Monaten vor seinem Tod damit aufgehört haben? Er legte das Sparbuch nachdenklich zur Seite und durchsuchte die anderen Unterlagen, fand aber nichts mehr. Keine Kontoauszüge, keine Bankkarte, nichts, was auf weitere Konten hinwies.
    Die letzte Schublade erwies sich als noch widerspenstiger als die Lade zuvor. Mehrmals musste er den Dietrich neu ansetzen, seine ganze Kraft aufbringen. Dann endlich gab das Schloss nach. Tom ließ sich rückwärts auf den Fußboden fallen, um sich von dem Kraftakt zu erholen.
    Der Inhalt der letzten Schublade bestand aus einem Durcheinander von verschiedenen Briefen

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