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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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keinen Bissen Fleisch oder Wurst mehr zu sich genommen und auch alles andere, das Fleisch enthielt, mied sie seitdem. Ihretwegen sollte kein Tier sterben.
    »Hast du eigentlich endlich deine Bewerbung bei Dr. Scholz abgegeben?« Ihre Mam klappte die Plastikkiste zusammen und sah Lou abwartend an.
    Dr. Scholz war Mams Orthopäde und suchte eine Auszubildende als Arzthelferin. Lou zog die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen. »Papierverschwendung.«
    »Das heißt also: Nein.« Da war sie, die steile Falte auf ihrer Stirn. Ein verlässliches Signal dafür, wie sauer Mam war. Ziemlich sauer offenbar, denn die Falte war grabentief.
    »He, Mam, du willst, dass ich Arzthelferin werde. Nicht ich. Aber entspann dich. Drei neue Bewerbungen sind in der Post.«
    »Lass mich raten: für Mediendesign.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    Lou biss sich auf die Lippe, um nicht Volltreffer zu sagen. Stress musste ja nicht unbedingt sein.
    »Meine liebe Louise, wie du weißt, halten dein Vater und ich nichts davon. Das ist kein Beruf mit Zukunft und außerdem gibt es hier kaum passende Lehrstellen.«
    Louise. Auweia. Und dann dieser mühsam beherrschte und pseudosüße Tonfall. Auf die Lippe beißen half nicht. »In München schon.«
    Mam atmete durch. »Du wirst nicht nach München gehen. Schlag dir das jetzt endlich aus dem Kopf.«
    »Ihr sagt doch ständig, ich soll erwachsen und selbstständig werden, und wenn ich dann …«
    »Wenn du volljährig bist, kannst du tun und lassen, was du willst. Bis dahin ist noch ein Jahr, und solange du…«
    »… deine Füße unter unseren Tisch stellst«, äffte Lou den Tonfall ihrer Mutter nach, »so lange habe ich zu gehorchen. Ja? Das ist aber mein Leben und ich will nicht Arzthelferin werden oder Bürokauffrau.«
    »Was ist denn das für ein Ton!«
    »Und ich werde auch nicht ein ganzes Jahr als Arzthelferin vergeuden, bis ich endlich nicht mehr auf eure Gnade angewiesen bin.« Lou wurde es ganz heiß vor Zorn. Niemals, niemals, niemals würde sie Arzthelferin werden. Sie lief aus der Küche, warf die Tür hinter sich zu und rannte die Treppe nach oben.
    Ihre Mam riss die Tür wieder auf und rief ihr hinterher: »So wie es aussieht, bekommst du aber keine Lehrstelle als Mediengestalterin. Oder hast du schon eine einzige Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bekommen? Und eines sage ich dir: Du wirst nicht ein Jahr lang faulenzen. Du gibst jetzt endlich deine Bewerbung bei Dr. Scholz ab, sonst mach ich das!«
    Hallo! Ging’s noch? Mam war das glatt zuzutrauen! »Kannst du gerne machen«, rief Lou die Treppe runter. »Aber ich setze keinen Fuß in diese Praxis! Da musst du mich dann schon an den Haaren hinschleifen!«
    Donnernd krachte die Tür hinter ihr ins Schloss. Sie drehte den Schlüssel herum und warf sich aufs Bett.

2
    Graphitgraue Wolken ballten sich tief über der hügeligen Landschaft. Im Westen versickerte das Abendlicht in der Dunkelheit der anbrechenden Nacht und den Wolkenungetümen des aufkommenden Gewitters. Finsternis senkte sich über das einsame Gehöft, dessen schwarze Silhouette sich vor dem Horizont abzeichnete.
    Als sich wenig später ein Fahrzeug über die gewundene Straße näherte, hatte die Nacht den verlassenen Bauernhof bereits verschluckt. Das Brausen des aufkommenden Sturms klang in der Einsamkeit der Gegend furchterregend. Mit sommerwarmem Atem rüttelte der Wind an den Kastanien, welche die Zufahrt säumten, rupfte grüne Stachelkugeln und Blätter von den Ästen, wirbelte sie über den Innenhof bis zum Scheunentor, wo sie in einer windstillen Ecke liegen blieben. In der Luft lag der Geruch von Regen und Hagel als Vorboten des nahenden Unwetters.
    Der Mann am Steuer hätte den Weg auch in der Dunkelheit gefunden, so häufig war er ihn gefahren. Doch es bestand kein Grund, die Scheinwerfer abzublenden. Im Umkreis von zwei Kilometern wohnte keine Menschenseele. Den alten Hof hatte seit einer Ewigkeit niemand betreten. Um sicherzugehen, hatte er ihn einige Wochen beobachtet und zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten aufgesucht – am Wochenende, an Arbeits- und an Feiertagen. Niemals war er jemandem begegnet. Nie hatte er Zeichen menschlicher Anwesenheit entdeckt. Erst dann hatte er ihn genutzt und nun war es höchste Zeit, die Spuren seiner Anwesenheit zu beseitigen. Und natürlich auch die ihrer.
    Den Wagen parkte er ein Stück entfernt am Rand eines Gerstenfeldes, dessen Ähren sich im Wind bogen.
    Es war nicht sein Fahrzeug und die

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