Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Titel: Dein Ende wird dunkel sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver

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gewesen. Ich glaube nicht an Gott, ich hätte eine Bibel einfach als besseren Glücksbringer betrachtet. Ich sagte ihm das – nicht das mit dem Glücksbringer, aber das mit der Bibel. Ich versuchte, einen Witz daraus zu machen – doch er schüttelte den Kopf. Eine Bibel würde nichts nützen.
    Ich überreichte ihm ein Abschiedsgeschenk: so viel Speck, wie er tragen konnte, ein Päckchen von unserem besten Virginia-Tabak und die vier Bände von Edgar Wallace, die er noch nicht gelesen hat. Er freute sich. Hatte ich also wenigstens das hinbekommen.
    Das Letzte, was er sagte, ehe er aufbrach, war, dass ich die Hunde stets in meiner Nähe behalten sollte.
    Zu Anfang ging es mir gar nicht so schlecht damit, wieder allein zu sein. Bis ich eine Stunde später mit Algie «sprach».
    Ich hatte Gus erwartet. Ich hatte so sehr darauf gewartet. Doch wie sich herausstellte, hat Gus wohl eine Art «Rückfall» erlitten. Algie schwört, er ist nicht in Gefahr, und ich glaube nicht, dass er mich anlügen würde, was das betrifft. Doch das bedeutet, sie können sich noch immer nicht auf den Rückweg machen. TUT MIR LEID JACK EINE WOCHE EHE WIR FAHREN KÖNNEN ENTSCHULDIGE STOP
    Ich stand unter Schock. Ich konnte es nicht fassen. Wie betäubt morste ich eine Bestätigung zurück. SCHON OK STOP SAG GUS GUTE BESSERUNG STOP
    SCHON OK? Was soll daran o.k. sein? Eine Woche, ehe sie aufbrechen können, das bedeutet womöglich neun Tage, bis sie hier sind. Dann ist beinahe Dezember. Woher soll ich die Hoffnung nehmen, dass die Küste bis dahin noch eisfrei ist? Womöglich stecke ich bis zum Frühjahr hier fest. Das schaffe ich niemals.
    Als ich die Übermittlung erhielt, spielte ich mit dem Gedanken, Bjørvik nachzugehen. Zum Henker mit alldem hier, schnall dir deine Skier an und sieh zu, dass du von hier verschwindest.
    Aber da hatte Bjørvik bereits zwei Stunden Vorsprung. Außerdem weiß ich nicht, wo sein Lager liegt. Es ist nicht auf der Karte verzeichnet. Ich weiß lediglich, dass es irgendwo auf der anderen Seite des Wijdefjords liegt, und der ist riesig.
    Ich dachte sogar darüber nach, einfach seinen Spuren zu folgen. Doch der Wind hat seine Fährte bereits ausgelöscht.
    Meine Armbanduhr ist stehengeblieben, aber Gus’ Wecker sagt, es ist elf Uhr «vormittags». Noch eine Stunde, ehe ich hinausmuss, um die Ablesungen vorzunehmen.
    Ja, wir sind wieder an diesem Punkt angelangt. An dem Punkt, sich mit Whisky und Zigaretten Mut zu machen. Die Hunde mit Süßigkeiten zu ködern, um sie in der Nähe zu halten. Den Himmel nach den kleinsten Wolkenspuren abzusuchen.
    Ich frage mich die ganze Zeit, was sie ihm angetan haben, dem Fallensteller von Gruhuken. Ich muss an den Bergmann denken, den ich in Longyearbyen gesehen habe. Männer wie die – wenn sie wissen, dass keiner dahinterkommt, sind sie zu allem fähig.
    Ich erinnere mich an die Bösartigkeit der Gestalt vor der Hütte. An diese unendlich schwarze, unmenschliche Rage.
    Wie soll ich das noch eine ganze Woche lang durchstehen?
    Später
    Ich habe ein sehr großes Glas getrunken und mir eine strenge Gardinenpredigt gehalten, und nun fühle ich mich ein wenig stabiler.
    Was du niemals vergessen darfst, Jack, ist, dass es dir nichts tun kann. Auf diesen Umstand komme ich immer wieder zurück. Aus diesem Grund allein darf ich mich an die Hoffnung klammern, dass ich hier durchhalten kann, bis die anderen zurückgekehrt sind.
    Denn was an diesem Ort umgeht, ist lediglich Geist. Es ist keine Materie . Nicht in dem Sinne, wie ich Materie bin, wie dieser Füllfederhalter Materie ist, oder dieses Notizheft und dieser Tisch.
    Es kann mir nichts antun. Alles, was es kann, ist, mir Angst einzujagen.

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    15
    18. November
    Ich wusste, dass die Dinge sich ändern würden, doch ich habe nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht, und ich hätte nicht gedacht, dass es auch die Hunde betrifft.
    Während Bjørvik noch hier war, konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie es sein würde, wenn er wieder fort wäre. Nur ein Tag später, und mir ist, als hätte sein Besuch niemals stattgefunden. Der Mond nimmt ab. Er ist nur noch eine schmale Sichel am Himmel. Die Dunkelheit ist zurückgekehrt.
    Einst dachte ich, die Angst vor der Dunkelheit wäre die älteste aller Ängste. Ich habe mich vielleicht getäuscht. Vielleicht fürchten die Menschen sich nicht vor der Dunkelheit, sondern vor dem, was die Dunkelheit bringt. Vor dem, was in ihr existiert.
    Ich schweife ab. Die