Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)
auf, und die Augen verloren den wilden Blick. Doch als ich mich erhob, um das Handtuch aufzuhängen, kam er mir ängstlich nach und blieb mir dabei so dicht auf den Fersen, dass ich beinahe gestolpert wäre.
«Keine Sorge, Isaak», sagte ich. «Ab jetzt bleibst du bei mir in der Hütte. Nie wieder Schuppen, alter Freund. Du bist in Sicherheit.»
Er beobachtete mein Gesicht und lauschte mit gespitzten Ohren.
Erstaunlich, wie viel Mut es macht, wenn man jemanden hat, den man trösten muss. Man ist viel tapferer und kraftvoller. So geht es einem vermutlich, wenn man Kinder hat. Für sie muss man stark sein.
«Die Sache ist nur die», fuhr ich fort. «Wenn ich dich hier drinnen frei laufen lasse, dann frisst du alles an, was in deiner Nähe ist. Ich fürchte, ich werde dich anleinen müssen.»
Um ihn davon abzuhalten, das Seil durchzukauen, tränkte ich es mit Paraffin. Dann band ich ein Ende an sein Geschirr und das andere an den stabilsten, unverrückbarsten Gegenstand in der ganzen Hütte: meine Schlafkoje.
Natürlich funktionierte es nicht. Sobald ich außer Sichtweite im Hauptraum war, stimmte er ein herzzerreißendes Jaulen an. Außerdem scheint er an Paraffin Geschmack zu finden: Er brauchte ganze fünf Minuten, um das Seil durchzukauen. Also machte ich die Hütte, so gut ich konnte, hundesicher, indem ich alles, was nur entfernt kaubar war, auf Kisten und Regalbretter verbannte. Ich verteilte ein paar Scheite Feuerholz als Köder im Raum und band ihn los.
Er kümmerte sich nicht um die Holzscheite, verbrannte sich die Schnauze am Ofen und rannte in der Hütte herum, schnüffelte und hob das Bein, wann immer es mir nicht gelang, ihn davon abzuhalten. Bald fing er beängstigend an zu hecheln, und mir wurde klar, dass ihm zu warm war. Ich stellte ihm eine Schale Wasser hin. Er schlappte lustlos daran und hechelte weiter. Ich holte eine große Schüssel Schnee. Schon besser. Er fraß sie leer, und das Hecheln wurde weniger. Dann entdeckte er die Rentierfelle, die ich vergessen hatte von meinem Bett zu nehmen, und machte sich daran, sie anzukauen.
Ich war so mit ihm beschäftigt, dass ich die Fünf-Uhr-Ablesung verpasste und eine Entschuldigung zur Bäreninsel funken musste. Es war mir gleich. Isaak bei mir zu haben ist wunderbar. Das klickende Geräusch seiner Pfoten auf dem Holzfußboden. Das Gefühl der nasskalten Hundeschnauze in meiner Handfläche. Er ist nicht stubenrein – er ist schließlich noch nie in einer Stube gewesen –, und ich muss ihn ständig im Auge behalten. Genau das habe ich gebraucht. Gerade eben hat er sich hingehockt, und ich habe ihn schnell am Geschirr gepackt und ins Freie gezerrt. Ich blieb mit dem Rücken zur Türe vor der Hütte stehen, wie ein Hausbesitzer in der Vorstadtsiedlung, der versucht, Fiffi zu seinem Geschäft zu bewegen. Ich spürte nicht den geringsten Hinweis auf eine Präsenz. Und Isaak zeigte keinerlei Anzeichen für Furcht. Das Futter, das ich für die Hunde ausgelegt hatte, lag noch immer im Schnee verstreut, doch zu meiner Überraschung beachtete er es nicht. Stattdessen trottete er, sobald er erledigt hatte, was zu tun war, ein paar Schritte davon und blieb, das Gesicht zur See gewandt und den Wind im Rücken, stehen. Dann hob er die Schnauze und fing an zu heulen. Mir stellten sich sämtliche Nackenhaare auf. Welche Einsamkeit! Welche Trauer!
Es klang nicht, als würde er nach seinem Rudel rufen. Es klang, als wüsste er, dass sie niemals zurückkommen würden.
21. November
Er heult immer noch nach seinem Rudel, doch er gewöhnt sich langsam daran, im Haus zu sein, und ich muss nicht mehr ständig auf ihn aufpassen.
Auch um meine Funkanlage muss ich mich nicht sorgen, weil er diese Seite der Hütte meidet. Kluger Hund. Ich wünschte, ich könnte es ihm gleichtun und mich einfach fernhalten.
Heute Morgen hätte ich wegen Isaak um ein Haar meine Unterhaltung mit Gus versäumt. Ich hatte den Empfänger eingeschaltet, doch Isaak machte Anstalten, sich hinzuhocken, und ich musste mit ihm hinausgehen, und als ich zurückkam, flackerten die Lichter.
Ich eilte hinüber und setzte den Kopfhörer auf; ich wollte kein einziges dieser Ticks und Tacks verpassen, denn das waren schließlich Gus’ Worte, die durch den Äther kamen.
JACK WO BIST DU? BIST DU OK? JACK! Ich musste lächeln, weil Gus einen Ausdruck wie «o.k.» benutzte. Es erinnerte mich an eines unserer ersten Gespräche an Bord der Isbjørn , als ich «o.k.» gesagt hatte und er «grandios» und ich
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