Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)
Isaak hat die Türe gefunden. Ich kralle mich am Holz fest. Kann die Klinke nicht finden. Ich bin auf der Veranda, kämpfe mich durch ein Dickicht aus Skistöcken und Schaufeln. Ich reiße die Türe auf und springe hinaus in die Nacht.
Die Kälte ist wie eine solide Wand. Ich renne dagegen, Schnee knirscht unter meinen Füßen. Die Kälte kratzt mir in der Kehle, beißt mir ins Fleisch. Kein Mond. Keine Sterne. Nur bleicher grauer Schneeglanz, um oben und unten auseinanderzuhalten. Isaak flitzt an mir vorbei in Richtung Ufer. Ich renne ihm nach.
Ich schaue zurück und sehe die Hüttenfenster gelblich flackern. Etwas stimmt nicht. Das ist kein steter Lampenschein, das ist das Lodern von Flammen. Die Hütte brennt.
Ich taumle gegen einen Felsen. Ich stoße mich ab und renne. Ich stolpere über Isaak. Er steht stocksteif da, die Ohren gespitzt. Und lauscht.
Ich kralle mich an seinem Nackenfell fest und höre nichts als das Heulen des Windes. Wieder sehe ich mich um. Das Feuer in den Fenstern hat sich in tiefes Orange verwandelt. Dunkel zeichnet sich gegen den Feuerschein ein nasser, runder Kopf ab. Ich vermag nicht zu sagen, ob es in der Hütte ist oder davor. Es beobachtet mich. Es weiß, wo ich bin.
Isaak befreit sich aus meinem Griff und schießt davon. Mit tauben Füßen stolpere ich hinter ihm her. Mein einziger Gedanke ist, zu entkommen.
Am Ufer betäubt eisiger Wind mein Gesicht. Die Walknochen schimmern rötlich. Ich höre Wasser plätschern, Eis klirren. Ich habe die See erreicht. Ich kann nirgends mehr hin.
Ich bin ohne Mantel, ohne Mütze, ohne Stiefel. Ich werde nicht lange durchhalten. Es kümmert mich nicht. Auch wenn mir der Gedanke, Isaak allein zurückzulassen, unerträglich ist.
Er steht wachsam da und zuckt mit den Ohren, um nichts von dem, was er da hört, zu verpassen. Er hat den Schwanz gereckt. Es dauert einen Augenblick, ehe ich verstehe. Er hat keine Angst mehr.
Schließlich höre auch ich, was er hört. Das ferne Platschen von Rudern. Ich blinzle ungläubig. Jetzt sehe ich es: ein Lichtfleck, der auf dem Wasser tanzt. Ein Ruderboot.
Ein splitternder Knall, als hinter uns ein Fenster birst. Ich falle auf die Knie und umklammere den Hund. Das Paraffinfass neben der Veranda ist als Nächstes dran.
Ich kauere mich an den Rand des schwarzen Wassers und warte auf das Boot.
Eriksson ist an den Rudern, zusammen mit Algie und zwei stämmigen Robbenfängern, doch ich habe nur Augen für Gus.
Stöhnend laufe ich ins flache Wasser. Ich falle in seine Arme.
«Ruhig Blut, alter Knabe, ruhig Blut! Jack – deine Füße! Wo sind deine Stiefel? Oh, Jack!» Seine Stimme ist zärtlich, und er streichelt mir den Rücken und spricht die ganze Zeit auf mich ein, als wäre ich ein Hund.
Dann ein Wumm und ein Windstoß, und kurz darauf ein ohrenbetäubender Knall. Lodernde Trümmer schießen himmelwärts und fallen krachend in den Schnee. Die Hütte hat sich in ein tiefrotes, pochendes Herz verwandelt.
Männer heben mich ins Boot. Ich rufe jammernd nach Isaak. Irgendwer wirft ihn auf mich drauf. Dann stoßen die Robbenfänger das Boot ab, und Gus wickelt meine Füße in Algies Schal und legt mir eine Decke um die Schultern. Undeutlich ist Algies bleiches, erschrockenes Gesicht auszumachen. Ich versuche zu sprechen, doch es gelingt mir nicht. Ich kann nicht einmal zittern.
Das Boot bietet ausreichend Platz für sechs Mann plus Hund, doch ich kauere mich im Heck zusammen, zwischen Gus und Isaak. Isaak drängt sich an mich, die weit gespreizten Vorderpfoten ins Holz gekrallt. Er hat Angst vor der See. Benommen registriere ich die Lichter der Isbjørn weiter draußen in der Bucht. Blinkend verkünden sie durch die Dunkelheit hindurch die Verheißung auf Zuflucht. Ich bin unter Menschen. Ich bin bei Gus. Ich kann es nicht fassen.
Das Boot schaukelt auf den Wellen, während wir auf das Schiff zuhalten. An Gus gelehnt, sehe ich Gruhuken brennen: ein Purpurrot, so heftig, dass es in den Augen schmerzt. Ich vermag den Blick nicht abzuwenden. Ich starre in die Flammen, die lodernd zum Himmel schießen. Das Feuer schickt flackernde Finger aus Licht über das Wasser zu uns aus. Doch wir sind zu weit draußen. Es kann uns nicht mehr erreichen. Ich beginne zu zittern. Gus sagt, das sei ein gutes Zeichen. Er spricht immer noch mit mir, sanft und ununterbrochen.
Isaak erstarrt. Ich spüre seine Nackenhaare an meiner Wange. Mir bleibt das Herz stehen. Es sind sieben Mann im Boot. Neben Gus – ein nasser runder Kopf.
Isaak dreht
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