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Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Titel: Dein Ende wird dunkel sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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durch. Ich schreie, klammere mich an ihn, versuche, Gus von diesem Ding wegzuzerren. Männer brüllen, stehen auf, das Boot schaukelt wie wild. Isaak versucht verzweifelt, zu entkommen, ich kann ihn nicht halten. Er springt über Bord. Gus ist nicht mehr da. Ich schreie seinen Namen, greife nach ihm. Ich kann ihn nicht erreichen. Er ist zu weit draußen.
Ich springe ihm nach. Die Kälte trifft meine Brust wie ein Hammerschlag. Die See zieht mich hinab. In der Dunkelheit berührt meine Hand die seine. Ich packe sie. Meine Brust will bersten. Ich versuche, ihn hinaufzuzerren, doch die Finger sind taub, er entgleitet meinem Griff. Strampelnd streife ich einen Körper. Das ist nicht Gus. Meine Hand bekommt etwas zu fassen, das weich ist wie moderndes Leder.
Tretend und strampelnd befreie ich mich. Hinauf an die Oberfläche, ich würge, ich keuche, ich spucke Salzwasser aus. Zwischen den wogenden Wellen erhasche ich einen flüchtigen Blick auf das brennende Lager.
Gegen den Feuerschein zeichnet sich am Ufer eine dunkle Gestalt ab.

[zur Inhaltsübersicht]
    19
    Ich bin nicht gestorben.
    Das Boot ist nicht gekentert, und die, die an Bord waren, zogen die Überlebenden aus dem Wasser und brachten uns eilig zum Schiff. Zwei Tage lang lag ich in meiner alten Schiffskoje, mal mehr, mal weniger bei Bewusstsein.
    Algie erzählte mir, weshalb sie ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt in Gruhuken eintrafen. Sie waren nach unserem letzten Gespräch über Funk derart in Sorge, dass sie Eriksson überredeten, augenblicklich in See zu stechen. Das hat mich gerettet: die Tatsache, dass es mir nicht gelungen ist, sie davon zu überzeugen, alles sei in Ordnung.
    Es hat Gus das Leben gekostet. Er ist der Einzige, der gestorben ist. Einer der Robbenfänger ging ebenfalls über Bord, konnte jedoch lebend aus dem Wasser gezogen werden, und Mr. Eriksson hat drei Fingerkuppen an den Frost verloren. Algie überlebte unversehrt. Behauptet er jedenfalls.
    Gus’ Leiche wurde niemals gefunden. Vielleicht nahm die Flut ihn mit hinaus aufs offene Meer. Vielleicht ist er Gruhuken niemals entkommen.
    Ich habe mir geschworen, nie wieder ein Tagebuch zu führen, doch gestern habe ich mir dieses Notizheft gekauft. Warum? Vielleicht weil sich morgen Gus’ Todestag zum zehnten Male jährt und ich das Bedürfnis verspüre, Rechenschaft abzulegen. Obwohl ich nicht recht weiß, wem gegenüber.
    Wir sprachen auf der Fahrt nach Longyearbyen nicht über das, was geschehen war, doch eines Nachmittags stattete Mr. Eriksson mir in der Krankenstation einen Besuch ab. Ich wollte ihm dafür danken, dass er sein Schiff aufs Spiel gesetzt hatte, um mich zu retten; und er wollte mir (wie er mir später schrieb) sagen, wie leid es ihm tat, dass er uns nie davor gewarnt hatte, dass Gruhuken heimgesucht wird. Doch wer von uns hätte ihm schon geglaubt? Schlussendlich jedoch fehlten uns beiden die Worte, und so rauchten wir schweigend. Dann erzählte ich ihm, was in der Hütte geschehen war und was ich im Boot gesehen hatte. Er hielt den Blick gesenkt, und als ich fertig war, sagte er, ja, das Ding im Boot, das habe ich auch gesehen. Ich habe seitdem nie wieder darüber gesprochen.
    Was ich ihm nicht erzählte, war, dass Gus es auch gesehen hatte. Ich kann mich noch an sein Gesicht erinnern, als er über Bord ging. Es ist unerträglich.
    Es ist meine Schuld, dass er gestorben ist. Seinetwegen bin ich in Gruhuken geblieben: um ihn zu beeindrucken. Ich habe den Kampf aufgenommen, doch Gus war derjenige, der starb. Daran muss ich täglich zehnmal denken. Jeden Tag.
    Ein Jahr nachdem wir nach England zurückgekehrt waren, erhielt ich einen Brief von Mr. Eriksson. Er schrieb, er sei nach Gruhuken zurückgekehrt, um nach Gus’ sterblichen Überresten zu suchen, hatte sie aber nicht gefunden. Er schrieb, wie leid es ihm tue, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, ein Steingrab über den Gebeinen unseres Freundes zu errichten. Und er schrieb, er habe alles getan, was in seiner Macht stehe, um andere von dem Ort fernzuhalten, indem er Rollen von Stacheldraht am Strand auslegte, und noch «andere Dinge», die er nicht näher beschrieb.
    Er musste nicht erklären weshalb. Wir wissen beide, dass das, was wir in jener Nacht gesehen haben, noch immer dort ist.
    Es fällt mir schwer zu glauben, dass Eriksson tatsächlich den Mut aufbrachte, an diesen grauenvollen Ort zurückzukehren. Eine solche Tapferkeit ist unfassbar für mich. Ich besitze sie gewiss nicht. Doch offensichtlich scheine ich

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