Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
gewesen.
»Ich glaube, ich weiß, warum Athene Zeus getötet hat«, sagte ich. Sebastian zog eine Augenbraue hoch und wartete, dass ich weitersprach. »Sie bekam ein Baby, dem vom Schicksal vorherbestimmt war, Zeus zu vernichten. Zeus fand es heraus und nahm das Kind an sich. Ich glaube, Athene flippte aus und schickte als Vergeltung eine Gottesmörderin, eine Gorgo, zu ihm. Allerdings hatte er gerade das Kind bei sich und deshalb wurden beide zu Stein. Ich glaube nicht, dass Sie ihr Baby mit Absicht in Stein verwandelt hätte.«
»Wow«, meinte er fassungslos. »Das ist …«
»Verrückt, ich weiß. Aber ich bin mir so gut wie sicher. In der Bibliothek ist eine zerbrochene Statue. Der Bibliothekar hat mir erzählt, dass es Zeus’ Hände wären, die das Kind hielten, dessen Schicksal es sei, ihn zu töten. Ich hatte ein komisches Gefühl, als ich es sah. Und in der Haupthalle des Tempels –«
»Die Statue des Zeus. Sie hat keine Hände.« Jetzt war Sebastian alles klar. »Heilige Scheiße.«
»Wem sagst du das. Das ist keine gewöhnliche Statue. Ich glaube, Athene wollte den Krug, um ihr Baby wiederzubekommen. Irgendwie hat Sie erfahren, dass es dort ist. Vielleicht war das der Grund dafür, dass die Novem ihn als Geschenk erhielten, vielleicht wollte jemand das Kind vor Athene verstecken. Schließlich weiß niemand, was passiert ist, nachdem die Gorgo die beiden zu Stein verwandelt hat, oder wie die Statue zerbrochen ist, wer sie in den Krug gesteckt hat …«
Es gab eine Menge ungeklärter Fragen, doch jetzt fügten sich die Puzzleteile langsam zusammen. Und es gab zumindest einen Grund für Athenes Wahnsinn.
»Jetzt wird mir klar, warum Sie dich wollte. Und warum Sie dich getestet hat«, sagte Sebastian. »Ich wette, Sie hat gedacht, du könntest ihr Kind wieder zum Leben erwecken.«
Das versetzte mir einen Stich, denn aus irgendeinem Grund fühlte ich mich verantwortlich für die vielen Menschen, die meine Vorfahrinnen zu Stein verwandelt hatten. Dass ich sie vielleicht alle zurückverwandeln, dass ich vielleicht ein paar von ihnen retten könnte, legte sich schwer auf mein Gewissen.
»Das einzige Problem ist deine Großmutter«, fuhr ich fort. »Ich glaube, sie weiß es auch. Oder zumindest vermutet sie es. Vorhin in der Bibliothek habe ich nach der Statue gesucht, um sie zu berühren –«
»Um sie zurückzuverwandeln?«, fragte er überrascht.
»Nein. Dazu müsste ich wirklich alles geben, was in mir steckt. Außerdem bin ich nicht einmal sicher, ob man jemanden, der schon so lange verwandelt ist, wieder zurückbringen kann. Aber wenn ich die Statue berühren würde, könnte ich die Macht der Gorgo spüren, und dann würde ich wissen, ob das Baby tatsächlich einmal gelebt hat.«
»Und das würde bedeuten, dass diese Statue der echte Zeus ist. Großer Gott, stell dir doch mal vor, was geschehen würde, wenn du ihn zurückbringen könntest.« Sebastian rieb sich das Gesicht und starrte auf den Platz hinunter. »Schätze mal, diese Kinddem-vom-Schicksal-bestimmt-worden-war-ihn-zu-töten-Sache ist dann doch wahr geworden.«
»Ja.« Aber wohl nicht so, wie Zeus sich das vorgestellt hatte. »Das Ganze ist irgendwie tragisch …«
»Ich frage mich, wer der Vater war«, sagte Sebastian.
Als ich auf die winzigen Lichter starrte, die auf dem Mississippi auf und ab schaukelten, spürte ich wieder die Last der Verantwortung auf mir. »Ich glaube, wir sollten verhindern, dass Josephine das Baby zerstört oder etwas noch Schlimmeres mit ihm anstellt.«
Sebastian nickte. »Sie hat mit Sicherheit nichts Gutes vor.«
Wir schwiegen noch ein paar Sekunden nachdenklich, während die Geräusche von unten die Stille zwischen uns füllten.
»Das Kind kann schließlich nichts dafür«, fügte ich hinzu.
Als Sebastian mich ansah, spielte ein Lächeln um seine Lippen. Er beugte sich zu mir und gab mir einen Kuss auf den Mund.
»Wofür war der denn?«
»Dafür, dass du so ein guter Mensch bist, Ari. Und weil es sich anhört, als würden wir demnächst wieder Ärger kriegen.«
Was wohl heißen sollte: Egal, was auch geschehen würde, wir würden es gemeinsam durchstehen. Und ich war ziemlich sicher, dass ich mit allem fertig werden würde, was das Schicksal für mich bereithielt, wenn ich meine Familie, meine Freunde und Sebastian bei mir hatte.
Als sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete, spürte ich es bis in meine Zehen. Ich verdrehte die Augen und lachte. »Sagt der Vampirhexer zur Gorgo.«
D
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