Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
kreidebleich.
Sebastian blieb vor ihm stehen. »Schaffst du den Rest?«
Michel nickte schweigend und ich fragte mich, warum zum Teufel er aussah, als hätte er gerade einen Geist gesehen. Dann fiel mein Kopf zur Seite und vor meinen Augen verschwamm alles.
Siebenundzwanzig
I ch wachte in einem Bett auf, das ich schon kannte. Sonnenlicht strömte durch eine offene Terrassentür und aus dem Hof drang Vogelgezwitscher herein, in das sich Stimmen und Gelächter mischten.
Ich war im Erdgeschoss von Michels Haus im French Quarter.
An meinem Rücken spürte ich eine unglaubliche Wärme. Der vertraute Geruch von Sebastian stieg mir in die Nase, nach seinem Shampoo, seiner sauberen Haut und noch etwas anderem – ein Eau de Cologne oder Rasierwasser, ich wusste es nicht genau. Jedenfalls war es eine gute Mischung, die ich tief in meine Lunge sog.
Langsam rollte ich mich unter der Decke herum auf meine andere Seite, trotz meines gigantischen Muskelkaters und meiner schmerzhaften Wunden.
Sebastian lag auf der weißen Decke, einen Arm unter dem Kopf. Er trug ein verblichenes schwarzes T-Shirt und Jeans. Seine Augen waren geschlossen. Er hatte ein gutes Profil – maskulin, majestätisch. Es erinnerte mich an die marmorne Statue, die aus ihm geworden war, und daran, wie erschreckend schön sie gewesen war.
Doch das war jetzt alles vorbei, beschloss ich. Längst vorbei.
Er war jetzt hier. Bei mir. Und er lebte.
Bei jedem Atemzug hob und senkte sich sein Brustkorb. Am liebsten hätte ich meine Hand flach auf seine Rippen gelegt, um es zu spüren, damit ich wusste, dass es kein Traum war.
Ich ignorierte die Schmerzen in meinem Arm, streckte die Hand aus und stupste ihn an. Die Haut gab nach; sie war weich.
Ich war so erstaunt, dass ich es noch mal versuchte.
Seine roten Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, das ein Grübchen in seiner Wange entstehen ließ. »Warum«, fragte er mit schlaftrunkener Stimme und geschlossenen Augen, »stupst du mich an?«
Ein warmes Leuchten hüllte mich ein, wie Sonnenschein nach einem langen Winter. Ich lächelte.
Dann schob ich eine Hand unter meine Wange und starrte ihn einfach nur an. »Ich stupse dich an, weil du echt bist.«
Er drehte den Kopf zu mir und machte die Augen auf. Sie waren anders – seltsamer, intensiver, von einem strahlenderen Silbergrau. Nicht nur seine Augen, auch alles andere an ihm war irgendwie klarer.
Wir starrten uns eine ganze Weile an.
»Ich bin derselbe wie vorher«, sagte er leise. »Meine Gedanken und mein Herz sind noch dieselben.«
Ich spürte ein tiefes Bedauern in mir, wegen allem, was mit ihm geschehen war. Die Folter, die Tatsache, dass ich ihm die Entscheidung abgenommen hatte und er jetzt etwas war, was er nie sein wollte. Tränen schossen mir in die Augen.
»Hör auf damit, Ari. Du hast getan, was ich auch getan hätte.« Er drehte sich mit seinem ganzen Körper zu mir. »Ich hätte genauso wenig zugesehen, wie du stirbst, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, dich zu retten.«
Meine Kehle schnürte sich zusammen, ich konnte nicht reden, ich konnte ihm nicht sagen, wie leid es mir tat. Sebastian streckte den Arm aus, nahm meine Hand und verschränkte seine Finger mit meinen. Als ich unsere Hände so sah, mit ineinander verschlungenen Fingern, auf seinem Bauch liegend, empfand ich ein zutiefst befriedigendes Gefühl der Zugehörigkeit.
»Mir tut auch vieles leid«, sagte er. »Dass ich so unsicher war, dass ich dir nicht geholfen habe, nachdem …«
Plötzlich konnte ich ihn nicht mehr ansehen. »Warum hast du … warum warst du so, in Athenes Garten?«
»Ich war immer noch dabei, mich zu … verwandeln. Wenn mir nicht gerade schlecht war, war ich wie berauscht vom Blut. Als du mich gesehen hast, war ich vermutlich total high. In der Halle, als Athene versucht hat, mich zu verfluchen, war ich so neben der Spur, dass ich alle möglichen Geräusche gehört habe. Ich habe kleinste Details gesehen, eine Million Eindrücke sind gleichzeitig über mich hereingebrochen. Ich konnte mich auf gar nichts konzentrieren.« Eine dunkle Röte breitete sich von seinem Hals hoch bis in sein Gesicht aus. »Ich brauchte die ganze Zeit Blut«, gestand er verlegen, »und sie –«
»Das reicht.« Zarias Dienerin hatte ihm ihr Blut gegeben, aber ich wollte nicht hören, wie er es sagte. Und vorstellen wollte ich es mir auch nicht.
Diese Momente hätte ich am liebsten für immer aus meinem Gedächtnis verbannt, doch die Erinnerung daran war noch so klar
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