Dein - Grünberg, L: Dein
mit den engsten und freizügigsten Klamotten, die jede von ihnen im Kleiderschrank fand, hatten sie sich an einem Samstagabend von einem Taxifahrer zu dem SM-Club fahren lassen. Der Mann hatte sie durchdringend gemustert und kurz nachgefragt, ob die Adresse tatsächlich richtig wäre, sie dann jedoch ohne weiteren Kommentar chauffiert.
Der Türsteher, ein großer muskulöser Mann in schwarzer Lederkleidung, musterte die drei von oben bis unten und verzog den Mund zu einem hämischen Grinsen. »Was wollt ihr denn hier Kinder? Fasching ist längst vorbei.«
»Fasching?«, spie Sophie verächtlich hervor. Ich kann nichts dafür, wenn Sie nicht up-to-date sind. Können wir jetzt gefälligst da rein?« Nadine sah ihre Freundin für ihr unerschütterliches Selbstbewusstsein bewundernd von der Seite an.
Der Mann lachte, erst leise, dann schwoll sein Lachen zu einem bebenden Orkan an, der seinen ganzen Oberkörper schüttelte. Er strich sich seinen dichten Schnauzbart nach links und rechts zur Seite, schaute von einer zu anderen, lachte noch einmal dröhnend und schließlich drehte er sich zu Nadines Verblüffung um und hielt ihnen die Tür auf.
»Wenn ihr unbedingt wollt – aber beklagt euch nicht, wenn man euch mehr, als euch lieb ist, an die Wäsche geht.«
Mit hocherhobenem Kopf, den Rücken aufrecht durchgestreckt, stolzierte Sophie an ihm vorbei, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Nadine hatte Mühe, ihr auf ihren hohen Stiftabsätzen zu folgen. Die Tür fiel hinter ihnen schwer ins Schloss und sie hatte plötzlich das Gefühl, dass sie einen großen Fehler machten und sich direkt in die Höhle der Löwen begaben.
Die Eindrücke, die in der nächsten Sekunde auf sie einstürmten, waren überwältigend. Ein paar Stufen führten hinunter in einen Raum, der nur partiell gut genug beleuchtet war, um Genaueres zu sehen. Wie weit die Räumlichkeiten sich ausdehnten, war auf den ersten Blick nicht zu erkennen.
Vorwiegend schwarz gekleidete Frauen und Männer, alle um einige Jahre älter als Sophie und ihre Freundin, manche sogar so alt wie ihre eigenen Eltern, standen paarweise oder in Gruppen herum. Mehrere fast nackte junge Männer knieten mit demütig gesenktem Kopf dazwischen, einer mit einer schwarzen Maske, die sein ganzes Gesicht bedeckte. Nadine war so erschrocken, trotz der Fotos, die sie im Internet gesehen hatte, dass sie diesen Anblick nie mehr vergaß.
Ein paar Frauen, mit eng geschnürten Korsagen und teils nackten Brüsten, eine mit verbundenen Augen, eine andere mit einem roten Knebel im Mund. Nadine wusste nicht, wohin sie zuerst schauen sollte. Ein Mann hatte seine Hand auf den Kopf der Frau gelegt, die neben ihm am Boden kniete, und kraulte sie fast liebevoll in den Haaren und bei Nadine keimte zu ihrer eigenen Überraschung der Wunsch auf, diese Frau zu sein.
Die Tops präsentierten sich stolz, aufrecht, einer hielt eine zusammengerollte Peitsche in der Hand, ein weiterer eine Leine, an deren anderem Ende ein junger Mann demütig kniete, bekleidet nur mit einem Hauch von Lendenschurz, der nicht mehr war, als ein lederner, nach unten gerichteter Käfig für seinen Penis … am liebsten hätte Nadine auf der Stelle kehrt gemacht und wäre wieder hinaus gerannt. Zu viele Eindrücke, schöne und erschreckende. Das hier war nicht die Anonymität des Internet. Das hier war live. Wenige Sekunden genügten, um ihr Angst zu machen, um ihr das Gefühl zu geben, hier vollkommen deplatziert zu sein. Aber diese Blöße durfte sie sich nicht geben, während Sophie ihr stolz wie eine Königin voranging, als verkehre sie täglich in diesem Etablissement, und Nadine ihr mit glühenden Wangen folgte.
Das alles lag nun schon solange zurück, dass es aus einem anderen Leben zu sein schien. Vergessen waren Ängste oder Bedenken, die unbeholfenen Versuche, es bei den ersten Erlebnissen dem Top recht zu machen. Vergessen das erste Erleben der Praktiken, von denen sie bis dahin nur eine ungenaue Vorstellung gehabt hatten. Heute war sie diejenige von ihnen beiden, die mutiger war und die Herausforderung suchte, wohingegen Nadine ihre romantische Ader entdeckt hatte.
Wie ihr bisheriges Leben und die Entwicklung ihrer Sexualität wohl verlaufen wäre, wenn sie damals nicht diesen Schritt in eine Welt der Unterwerfung und Dominanz gewagt hätten? Nadine wusste es nicht. Alle beide waren sie naiv, leichtsinnig und übermütig gewesen, und hatten erst im Laufe der Zeit begriffen, in welche Gefahr sie sich begeben
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