Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
überhaupt möglich ist, und verschwindet durch die Küche und die Hintertür in seinem Schuppen. Er steht im winzigen Hinterhof neben dem Sandkasten und dem Mini-trampolin. Die Mischung der Düfte aus Sägemehl und Plakatfarbe, Leinsamenöl und Lötzinn erinnert ihn an seinen Vater. Mehr als Erinnerungen an ihn bleiben ihm nicht. Sie sprechen schon seit Jahren nicht miteinander.
McAvoys Werkzeuge hängen säuberlich aufgereiht an der Wand. Die Umrisse jedes Gegenstands hat er mit schwarzem Filzstift aufgemalt, so dass er sofort weiß, wenn etwas nicht am richtigen Platz ist. Er öffnet einen Plastikschuber und durchsucht sein Sammelsurium von Drähten und Kabeln. Es ist seine Angewohnheit, Dinge aufzuheben, die zu wertvoll scheinen, um sie wegzuwerfen – ein Relikt seiner harten Jugend.
Er nimmt eine Handvoll Drähte mit zurück ins Wohnzimmer und sammelt unterwegs seinen Laptop ein, der in der Küche am Ladegerät hängt. Hätte er nicht alle Hände voll, würde er noch schnell einen Schnitz von der Zitronen-Baisertorte mitnehmen, die auf einem Alutablett neben der Mikrowelle steht, aber bevor er auch nur daran denken kann, einfach ein Stück herauszubeißen, ertönt Roisins Stimme.
»Wag es ja nicht. Du hattest schon zwei.«
Er kehrt mit hängendem Kopf ins Wohnzimmer zurück. Erwischt.
»Ich wollte gar nichts mehr …«
»Schwindler.« Sie hebt eine Augenbraue und wirkt plötzlich wie eine Katze. »Füttere ich dich etwa nicht richtig?«
McAvoy senkt den Blick auf seinen tonnenförmigen Oberkörper und die fleischigen Beine, die das Rugbyhemd und die abgeschnittenen Jeans zu sprengen drohen, als wäre er auf halbem Weg zur Metamorphose in den Unglaublichen Hulk.
»Aber es schmeckt sooooo gut …«, sagt er, ein Kind, das um ein weiteres Stück Kuchen bettelt.
»Ich backe am Wochenende wieder einen. Du kannst nicht immer alles haben, was du willst.«
Sie sagt das auf eine Art, dass sie beide vor Lachen herausplatzen müssen.
Ein wenig später, nach reichlich unterdrücktem Gefluche und einem aufgespießten Daumen, ist es McAvoy gelungen, einen improvisierten Adapter aus einem alten Telefonkabel zu basteln, und er schließt das Mobiltelefon an seinen Laptop an.
»Los geht’s«, sagt er und drückt die Einschalttaste.
Roisin gähnt. Sie kann kaum noch die Augen offen halten. Der Abspann ihrer Serie läuft, und sie findet nur mühsam die Kraft, so zu tun, als wäre sie interessiert. »Funktioniert’s?«, fragt sie und verlagert Lilah auf ihrem Schoß in eine bequemere Stellung.
McAvoy ist zu vertieft in den Laptop, um zu antworten. Diese Software wurde ihm von einem Kollegen in der Technik empfohlen, und er hat sie von einer Spezialseite für Datenrettung heruntergeladen, aber noch nie verwendet.
»Aector?« Die Stimme klingt verwaschen.
McAvoy blickt hoch. Roisin döst gerade ein und rutscht in eine halb sitzende, halb liegende Position, die Beine wie ein Kind angezogen. McAvoy stellt den Computer vorsichtig beiseite und nimmt Lilah aus ihren schlaffen Armen. Seine Tochter strampelt ein wenig und verzieht das Gesicht, gibt einen kurzen, missbilligenden Laut von sich, weil sie gestört wird, aber McAvoy zieht sie an seine Brust und wiegt sie wieder in einen sanften Schlaf. Dann lässt er sich in den Sessel sinken und beobachtet den Bildschirm, während der Speicher des Mobiltelefons auf seinen Computer übertragen wird.
»Sieh mal, was Daddy gemacht hat …«
Das Flackern des Bildschirms spiegelt sich im Gesicht seiner Tochter und verwandelt ihre Aprikosenbäckchen und die glatte mandelfarbene Stirn in eine schimmernde Collage aus Bildern, Worten, Zahlen, Namen …
Lilah wacht wieder auf. Sie streckt die Hand aus und packt das Ohr ihres Vaters. Sie hält es fest, als würde sie überlegen, ob es etwas bringt, daran zu zerren, lässt dann aber los, als sie spürt, wie seine Fingerknöchel sacht ihre Wange streicheln.
McAvoy setzt seine Tochter auf, damit sie den Bildschirm sehen kann.
»Ich glaube, es hat geklappt«, flüstert er ihr sanft ins Ohr, als würde er ihr ein Geheimnis anvertrauen. Sie starrt mit großen Augen auf den Bildschirm, verwirrt und fasziniert. McAvoy beginnt lächelnd zu lesen. »Mal sehen, was wir hier haben.«
Dann legt er Lilah die Hand über die Augen. Die Bewegung überrascht sie, und sie stößt ein ängstliches Keuchen aus, das in ein Aufheulen wie von einem beschleunigenden Motorrad übergeht, das Zeichen, dass sie zu schreien gedenkt.
Auf dem Sofa setzt sich
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