Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
fragte sie, ob der Laden Kreditkarten akzeptierte, und entkleidete sich bis zur Hüfte.
»Kommst du wieder rauf?«
Sie blickt auf. Jemand streckt den Kopf aus einem Fenster im ersten Stock: maskiert mit einem billigen Polyester-Afro und einer Michael-Jackson-»Thriller«-Jacke.
»Sekunde noch«, erwidert Georgie-Lee, und der Kopf verschwindet.
Sie holt Luft. Übt ein Lächeln. Sie bringt es nicht fertig, die Einzige zu sein, die Trübsal bläst. Muss immer fröhlich sein und alle aufmuntern.
Sie rappelt sich hoch und schiebt das Handy unter den elastischen Gummi ihrer schwarzen, ellbogenlangen Netzhandschuhe.
Sie wendet sich von der Straße ab, doch bevor sie zwei Schritte getan hat, lässt sie das Zuknallen einer Autotür innehalten. Ganz nah. Nah genug, dass es ein weiterer Gast sein könnte, neue Besucher, die den Abend retten.
Sie verfolgt das Geräusch zurück zu einem Fremden, der aus dem Allrad steigt. Nickt grüßend und wendet sich ab.
»Suzie?«
Georgie-Lee fragt sich, ob sie sich verhört hat. Instinktiv dreht sie sich um.
Im nächsten Augenblick kippt sie nach hinten. Starke, kraftvolle Arme drücken sie zu Boden.
Ein Unterarm schiebt sich unter ihr Kinn und zwingt ihr den Kopf rückwärts auf die kalten, nassen Fliesen. Eine andere Hand zerrt an ihrer Perücke, reibt den weißen Puder weg, das schwarze Mascara.
Sie windet sich. Versucht zu schreien.
Dann wird sie umgedreht. Auf den Bauch geworfen. Hat ein Gefühl, als würde sie von Klauen zerrissen. Hände, Nägel zerren an ihrem Kleid.
Plötzlich kalte Luft auf ihrer nackten Haut; Finger zerreißen das zarte Gewebe, zerren ihr den BH nach oben, so dass die Bügel sich unter ihren Brüsten eingraben …
»Hilfe. Bitte …«
Sie hört ein scharfes Luftholen. Ein Schlucken. Einen animalischen Laut, dann nichts mehr. Fäuste krallen sich mit einem Ruck in ihre Haare.
Sie greift nach hinten. Strampelt. Windet sich. Kämpft um ihr Leben. Nasse Lippen direkt an ihrem Ohr.
»Ich musste sichergehen. Tut mir leid.«
Pflastersteine sausen auf ihr Gesicht zu.
Schwärze.
Nichts.
Kapitel 15
»Sie passen nicht zueinander.«
Roisin macht eine Handbewegung zu McAvoys Füßen hin.
»Was passt nicht?«
»Deine Schuhe. Einer ist ein Turnschuh. Der andere ein Stiefel.«
Er senkt den Blick zu seiner Fußbekleidung. Nickt. »Ja.«
Sie dreht sich wieder zur Spüle um. Füllt den Kessel. Dreißig Sekunden später merkt sie, dass er überläuft, und dreht den Hahn ab.
»Was wollte ich gerade?«
»Tee kochen, glaube ich. Oder etwas sterilisieren?«
»Es fällt mir schon wieder ein.«
Zusammengenommen haben sie in der Nacht vielleicht vier Stunden Schlaf gefunden. Lilah hat Fieber. Sie schrie, bis ihr Gesicht die Farbe einer Kirschtomate annahm. Ballte die Fäuste so fest, dass sich halbmondförmige Abdrücke in ihren kleinen Handflächen eingegraben haben. Trieb beide Eltern zu Tränen der Ohnmacht und Erschöpfung. Endlich schlief sie durch eine leichte Überdosis Calpol gegen vier Uhr ein und lag steif wie ein Brett in Daddys Schoß.
»Du kannst nicht zur Arbeit«, sagt Roisin. »Nicht in dem Zustand, Aector.«
Sie trägt ihr Nachthemd und Flipflops und ist klatschnass. Sie hat ein Dutzend Mal versucht, ihre Lederjacke anzuziehen, bevor sie Fin in die Schule brachte, schien aber die Armlöcher einfach nicht finden zu können, so dass sie ihn schließlich im Nachthemd begleitete. Andere Eltern warfen ihr mitleidige Blicke zu, weil sie mit den Strapazen vertraut sind, die man als Mutter eines vier Monate alten Babys durchleidet.
»Ich kann mich nicht krankmelden.«
»Arbeite von zu Hause aus.«
»Roisin …«
»Nnnn.«
Sie sind wie zwei Zombies, die sich mit verschliffenen Grunzlauten, Gesten und halbbeendeten Sätzen unterhalten.
»Du brauchst Schlaf.«
»Ich habe geschlafen.«
»Ungefähr fünf Minuten lang, und auch das nur im Sitzen. Schau dich doch an.«
McAvoy stemmt sich aus dem hartlehnigen Küchenstuhl und hebt den Toaster hoch. Er ist verchromt und auf Hochglanz poliert. Er studiert sein Spiegelbild. Unrasiert. Dunkle Augenringe. Ein beginnender blauer Fleck am Rand der Augenhöhle, wo er den Kopf zu lang auf die Handwurzel gestützt hat. Sein oberster Hemdknopf steht offen. Er schließt ihn. Strafft seine rote Krawatte und überprüft die Vorderseite seines schwarzen Hemds und des hellgrauen Anzugs auf Porridgereste und Babyspucke. Findet nichts, was sich nicht mit einem feuchten Handtuch reparieren ließe.
»Bei Fin war
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