Dein ist die Rache
getan …«
»Ja, sollte man denken.«
Sie sitzen eine Weile schweigend da, und McAvoy, der sich nie wohl fühlt, wenn er allein mit Kollegen ist, wird langsam unsicher. Er wendet sich seinen Notizen zu, blättert die Papiere in seinem Schoß durch, sieht wieder auf die Uhr.
»Schon spät«, meint Daniells. Er hebt den linken Arm vom Lenkrad und zeigt McAvoy seine billige Uhr. »Sechs Uhr, hat sie gesagt.«
McAvoy stellt die Stacheln auf. Er kann nicht anders. »Sie?«
»Pharaoh. Sie hat sechs gesagt.«
McAvoys Mund wird zu einem dünnen Strich. »Meinen Sie Detective Superintendent Pharaoh?«
»Ja«, sagt Daniells, dem der warnende Unterton in McAvoys Stimme entgeht. Plötzlich lacht er auf. »Haben Sie gesehen, wie sie versucht hat, ihre stichsichere Weste anzuziehen? Das wäre ein witziges Video für YouTube gewesen …«
»Wie bitte, Constable?«
Diesmal bemerkt Daniells die Gefahr. »Damit will ich nichts gegen sie gesagt haben«, ergänzt er hastig. »Sie ist eine tolle Chefin.«
»Ja. Ist sie.«
McAvoy starrt auf den düsteren Parkplatz hinaus.
Er kann den Hinterreifen des Überwachungstransporters sehen. McAvoy versucht, sich vorzustellen, wie es darin aussieht: Trish Pharaoh, Helen Tremberg, Ben Neilsen und ein halbes Dutzend Uniformierte, verkrampft und angespannt im Zwielicht, die ausziehbaren Schlagstöcke gut geölt in der Hand und bei jedem Knistern des Funkgeräts hochschreckend …
»Wir sehen Bewegung.«
Die Stimme aus dem Funkgerät gehört Detective Inspector Colin Ray, dem Vizekommandeur der Einheit. Er ist ein schlaksiger, glotzäugiger Mann mit Rattengesicht und einem Faible für Nadelstreifenanzüge. Er geht auf die fünfzig zu, seine Hautfarbe hat einen grünlichen Schimmer, und er wird gleichzeitig gefürchtet, respektiert und verabscheut. Sollte die Apokalypse eintreten und die Herrschaft des Gesetzes zusammenbrechen, würden ihm eine Menge Kollegen sicher mit Vergnügen eins in die Fresse hauen.
McAvoy versucht, seine Sinne zu schärfen. Hofft, dass Daniells dasselbe tut.
Ein schwarzer Landrover gleitet auf den Parkplatz. Seine teuren Reifen zischen über den nassen Asphalt.
Daniells will anscheinend den Kopf unter Lenkradhöhe wegducken, doch sein Sergeant hält ihn mit warnender Hand zurück. Keine plötzlichen Bewegungen, schärft ihm McAvoy mit den Augen ein. Auf keinen Fall auf sich aufmerksam machen.
»Ist das unser Knabe?«
Diesmal stammt die Stimme von Pharaoh.
»Zu dunkel. Schwer zu sagen.«
»Scheiße.«
McAvoy hört die Frustration in der Stimme seiner Chefin.
»Sind sie das? Was glauben Sie?«
Daniells klingt aufgeregt und nervös. McAvoy fragt sich, wie viele Einsätze der junge Beamte schon hinter sich hat.
»Wir können nur abwarten.«
McAvoy wünscht sich, bei Pharaoh im Van zu sitzen; er möchte ihr ein aufmunterndes Lächeln schenken, das ihr sagt, dass er an sie glaubt und alles gut ausgehen wird.
»Bereithalten«, ertönt Pharaohs Stimme.
Der Landrover hat sich nicht bewegt. Er steht schräg gegenüber von McAvoy und Daniells. Wenn sie Glück haben, werden zwei kräftige Männer aussteigen und die fünfhundert Meter Brachland zwischen hier und dem leerstehenden Lagerhaus überqueren. Sobald sie drin sind, wird Pharaoh das Signal geben, das Gebäude zu stürmen und jeden festzunehmen, den sie darin antreffen. McAvoy ist für den Fall hier stationiert, dass jemand durch die Maschen schlüpft: Er soll die Straße blockieren, wenn sie mit dem Auto zu fliehen versuchen. DCI Ray und DI Shaz Archer schieben – hoffentlich frierend – Wache oben auf dem riesigen Möbelladen am Anfang des Einkaufsgebiets, durch das die Straße bis in diese heruntergekommene Gegend verläuft. Auf der anderen Seite des Lagerhauses stehen zwei Wagen des operativen Unterstützungskommandos hinter einer Wand aus Containern versteckt, um jeden an der Flucht zu hindern, der es bis in den Bereich des immer noch in Betrieb befindlichen Docks schafft.
Pharaohs Stimme: »Aufgepasst, Kinder …«
Sekunden verstreichen.
Minuten.
»Ein übler Ort, was?«, meint Daniells und starrt düster auf den Backsteinbau gegenüber. »All diese Angler …«
»Trawlerfahrer«, zischt McAvoy. »Angler stehen mit einer Angelrute am Ufer. Trawlerfischer riskieren ihr Leben in Gewässern, die Sie sich in Ihren schlimmsten Träumen nicht vorstellen können.«
»Ich meine ja nur …«
Daniells kommt nicht dazu, noch mehr zu sagen. Mit kreischenden Reifen beschleunigt der Landrover.
DCI
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