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Dein ist die Rache

Dein ist die Rache

Titel: Dein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mark
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gelernt …«
    McAvoy hat nur einen ganz schnellen Blick auf die Fallakte werfen können und erinnert sich nicht an die Erwähnung einer Freundin. »Schulfreundin?«
    »Nein, sie haben sich bei einem Kurs für kreatives Schreiben kennengelernt«, sagt sie mit einem Anflug von Stolz. »Das hätte ihm gefallen, glaube ich. Schriftsteller zu sein. Oder ein Dichter, in einer anderen Zeit. Er konnte so gut mit Worten umgehen. Selbst wenn er bloß simste, gab er sich Mühe, dass es gut klang.«
    McAvoy stellt seine Teetasse auf dem Boden neben dem Sofa ab und beugt sich vor. »Mrs Ford, das hört sich nicht so an, als würden Sie auch nur eine Sekunde lang glauben, dass er Selbstmord begangen hat.«
    Sie schneidet eine Grimasse und stößt einen Seufzer aus, der aus tiefstem Herzen zu kommen scheint. »Können wir denn jemals wirklich in einen anderen Menschen hineinsehen?«, fragt sie. »Nein, ich hätte nicht gedacht, dass Simon Selbstmord begehen könnte. Er hat nicht den ganzen Tag lang gegrinst wie ein Honigkuchenpferd, meine ich, aber er freute sich des Lebens und konnte seine schlimmen Seiten aushalten. Darum geht es doch dabei, oder? Im Leben.«
    McAvoy blickt beiseite, um nicht antworten zu müssen.
    »Mrs Ford, ich muss Ihnen ein paar Fragen zu Simons Privatleben stellen.«
    »Sein Sexleben?« Sie lächelt warm und freundlich. »Da werden wir beide erröten.«
    »War er promiskuitiv?«
    »Er war jung.«
    »Dann hatte er viele Sexualpartner?«
    »Er hat sich amüsiert.«
    McAvoy konsultiert sein Notizbuch. »Mrs Ford, ein bisschen mehr muss ich schon wissen. Wir haben Hinweise darauf, dass Simon kurz vor seinem Tod Kontakt mit einem neuen Sexualpartner aufnahm.«
    Sie zuckt die Achseln. Betrachtet das Foto in ihrer Hand. »Sergeant, ich war seine Tante. Mehr eine Mutter als die leibliche. Wir hatten Spaß zusammen und haben viel gelacht, aber er hat mich nicht jedes Mal angerufen, wenn ein neuer Freund von ihm runtergekrabbelt ist.«
    McAvoy verzieht instinktiv das Gesicht. Sie bemerkt es. Er versucht, es mit einem Hüsteln zu überspielen. Will vermitteln, dass es ihre unnötige Grobheit war, die ihn abgestoßen hat, und nicht der beschriebene Akt.
    »Dann haben Sie seine Liebhaber also nie getroffen?«
    »Ich bin ›Freunden‹ begegnet«, erwidert sie und glättet ein paar nichtexistente Falten in ihrer Uniform. »Manchmal holte ihn ein Typ von der Gemeindehalle ab, oder er erzählte mir, dass er mit einem Freund im Theater oder zum Essen aus war oder so, aber ich wollte nicht nachbohren.«
    »Sie haben angedeutet, dass er promisk war …«, meint er vorsichtig.
    Sie rutscht im Sessel nach vorne. Sie scheint aufstehen und das Foto auf den Kaminsims zurückstellen zu wollen, überlegt es sich dann aber anders und bleibt, wo sie ist.
    »Da waren so Sachen, die er und Suzie zueinander sagten«, erklärt sie mit einer unsicheren Geste. »Vielleicht zogen sie sich gegenseitig damit auf, ich weiß es nicht. Sie waren wie zwei Kinder. Er brachte sie zum Erröten, indem er mich aufforderte, sie zu fragen, was sie in dieser oder jener Nacht getrieben hätte. Und sie riss Witze darüber, dass Simon zu ausgeleiert sei, um als Kursleiter sein Bestes zu geben. Nichts Ungewöhnliches.« Sie sieht auf die Uhr. »Schüchtern war er nicht. So viel weiß ich.«
    McAvoy fragt sich, ob es hier noch etwas zu erfahren gibt. Ob er überhaupt etwas Wichtiges herausgefunden hat. Er sieht in seine Notizen.
    »Wie man mir sagte, hatte er Tattoos …«
    »Oh ja«, bestätigt sie munter. »Meine Güte, die waren wirklich wunderschön. Das erste ließ er sich stechen, als er gerade sechzehn geworden war. Irgendeinen Songtext von einer Band, die er mochte. Das brachte ihn auf den Geschmack.«
    »Es heißt, sein Rücken war ein echtes Kunstwerk.«
    Sie lächelt. »Das hätte er jetzt furchtbar gerne gehört. Sie waren in einem Magazin abgebildet, wissen Sie? Eine Anzeige in einem Hochglanzmagazin. Ich sah es beim Arzt im Wartezimmer, vor gar nicht langer Zeit. Simon wäre hin und weg gewesen, wenn er das gewusst hätte. Erst hatte ich ja meine Zweifel. Sie sind nicht von hier, daher werden Sie das nicht wissen, aber Pfauenfedern bringen Unglück.«
    »Das ist da, wo ich herkomme, genauso.«
    »Wirklich? Ich dachte, es wäre nur hier in Hull so.«
    »Nein, ich glaube, das heißt es überall.«
    Mrs Ford schiebt die Unterlippe vor, als müsste sie nachgrübeln, ob das etwas zu bedeuten hat. Kommt wohl zum Ergebnis, dass es nicht so ist.

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