Deine Kuesse verzaubern mich
hatte, war ihr seine besitzergreifende Art aufgefallen. Immer wieder hatte er sie sowohl psychisch als auch physisch gequält, bis Summer es nicht mehr ausgehalten hatte und sich an ein Frauenhilfsprojekt in Houston gewandt hatte. Dort hatte sie endlich die Kraft gefunden, mit ihrem gewalttätigen Verlobten Schluss zu machen. Die Beraterinnen hatten ihr deutlich gemacht, dass sie zwar keinen Einfluss auf Tyrone, sehr wohl jedoch auf ihr eigenes Verhalten hatte. Was bedeutete, dass nur sie allein die Entscheidung treffen konnte, sich aus dieser Situation zu befreien.
Tyrone hatte ihren Entschluss, ihn zu verlassen, nicht akzeptieren wollen und deswegen damit begonnen, sie auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Deshalb hatte sie damals eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkt. Doch Monate später war er eines Nachts in ihr Apartment eingebrochen und hatte damit gedroht, sie zu töten. Wenn sie daran zurückdachte, lief es ihr immer noch kalt den Rücken herunter.
Nach ihren eigenen schrecklichen Erfahrungen, die sie mit Tyrone gemacht hatte, und nachdem Darius ihr das Herz gebrochen hatte, hatte sie das Vertrauen in ihr eigenes Urteilsvermögen, was Männer anging, verloren, und war seitdem allein geblieben. Sattdessen hatte sie sich in ihre Bücher vergraben, um ihren Abschluss zu bekommen. Nach dem College hatte sie sich dann ausschließlich auf ihre Arbeit konzentriert, um Frauen in Not zu helfen.
„Was soll es denn heute sein, Miss Martindale?“
Lächelnd sah Summer zu der Kellnerin auf. Ihr Name war Tina Kay, und sie war eine der ersten Frauen gewesen, die Summer bei Helping Hands betreut hatte. Mit gerade mal siebzehn Jahren war sie auch die bisher Jüngste gewesen. Tina war von zu Hause durchgebrannt, nachdem man sie von einer Pflegefamilie zur nächsten abgeschoben hatte. Doch der Mann, mit dem sie dann zusammenlebte, hatte sie regelmäßig geschlagen, und Tina war davon überzeugt gewesen, die Schläge auch verdient zu haben.
Unwillkürlich musste Summer an ihre eigene Lebensgeschichte denken. Nach der Highschool hatte sie die Welt entdecken wollen. Sie war bei ihrer Tante Joanne aufgewachsen, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Ihre Tante hatte versucht, Summer zum Bleiben in Birmingham zu bewegen, aber Summer hatte Alabama verlassen, um sich bis nach Kalifornien durchzuschlagen. Bis dahin hatte sie es allerdings nicht geschafft, sondern war irgendwie in Houston gestrandet, wo sie einen Job als Kellnerin in einem Schnellrestaurant gefunden hatte. Dort hatte sie auch Tyrone kennengelernt, dessen Arbeitgeber die Restaurants regelmäßig belieferte. Irgendetwas in ihr hatte sie schon damals von ihm gewarnt, aber sie hatte den Glauben daran nicht aufgeben wollen, dass doch noch ein guter Kern in ihm schlummerte. Sie hätte sich wirklich nicht mehr irren können.
„Dasselbe wie immer“, antwortete Summer endlich und lehnte sich entspannt in ihren Stuhl zurück, während sie sich auf den Salat mit gegrilltem Hühnchenfleisch freute. Einen Moment lang betrachtete sie Tina, die heute vollkommen anders aussah als die junge Frau, die einst mit einem geschwollenen Auge und blauen Flecken am ganzen Körper ins Helping Hands gekommen war. „Wie geht es Ihnen, Tina?“, fragte sie.
Das Lächeln der Kellnerin wurde noch herzlicher. „Es geht mir gut, danke. Ich wohne jetzt in der Wohnung über den Timmons. Und ich habe mich für ein paar Mathekurse an der Volkshochschule eingeschrieben.“
„Und was macht die Selbstverteidigung?“ Das Frauenzentrum bot einen Kurs an, der immer ausgebucht war.
„Der Kurs ist ganz großartig. Wir haben einen tollen Lehrer, der uns eine Menge Tricks beibringt.“
Summer bemerkte, wie aufgeregt Tina war, und freute sich darüber. Der Kerl, der Tina verprügelt hatte, war nicht mehr in der Stadt, und es war Haftbefehl gegen ihn erlassen worden. Sie musste an Tyrone denken, der zu zwanzig Jahren verurteilt worden war. Wahrscheinlich wäre die Strafe nicht so hoch ausgefallen, wenn Tyrone dem Richter nicht gesagt hätte, wohin er sich seiner Meinung nach das Urteil schieben könne. Kopfschüttelnd fragte sie sich, wie sie jemals diesen Mann hatte lieben können. Vermutlich war sie mit achtzehn einfach zu jung und leicht zu beeinflussen gewesen.
„Ich bin gleich mit Ihrem Essen zurück“, versprach Tina.
Als die junge Kellnerin gegangen war, musste Summer an den Mann denken, den sie eben im Frauenzentrum zurückgelassen hatte. Den Mann, den
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