Delia, die weisse Indianerin
aufzukommen pflegte, aber die Angst in den Herzen der Frauen konnte er nicht ersticken.
Die Wagen wurden am Abend in einem Karree zu einer sogenannten Wagenburg zusammengeschoben, die den Einwanderern einen gewissen Schutz gewährte. Die ganze Nacht über hielten Posten Wache, unter ihnen auch Peter und Paul, die sich ja tagsüber während der Fahrt ausruhen konnten.
Aber als man drei Wochen durch Urwälder, Moore und Sumpfgebiete unterwegs gewesen war, ohne je auch nur einen einzigen Indianer zu Gesicht bekommen zu haben, wurde man leichtsinniger. Jetzt musste Onkel Johannes seine Schützlinge warnen, nicht jede Vorsicht außer acht zu lassen. Er war der Einzige, der sich durch die scheinbare Ruhe nicht täuschen ließ.
Delia dagegen war fast enttäuscht, dass sie bisher noch keinen der berühmten und gefährlichen Indianer zu Gesicht bekommen hatte.
Eines Tages, als sie bei Sonnenaufgang ihre Susi gesattelt hatte und wartete, dass sich der Treck in Bewegung setzte, bemerkte sie, dass der Mops unentwegt aufgeregt am Rand des Urwalds entlanglief.
Sie rief ihn zu sich: „Professor, Professor!“
Aber der Mops gehorchte nicht. Er begann zu bellen.
Delia lief, ihr Pferd am Halfter, zu ihm hin. Der Mops schnüffelte mit der Nase über dem Boden, aber Delia konnte nichts entdecken. Sie wollte schon mit ihm schelten, da sah sie, was ihn so aus der Fassung gebracht hatte: Eine Spur hatte sich deutlich in dem weichen Boden abgedrückt, eine Fußspur, die nicht von einem der Einwanderer herrühren konnte. Sie alle trugen feste Stiefel, und diese Spur war anders. Das musste der Abdruck eines Mokassins sein!
„Indianer!“ hätte Delia beinahe laut gerufen.
Aber sie unterdrückte ihren Schrei; es wurde nur ein halblautes Gemurmel daraus. Auf keinen Fall durfte sie die Frauen und Kinder erschrecken. Vielleicht war der Indianer, der die weißen Fremdlinge beobachtet hatte, noch ganz in der Nähe. Wahrscheinlich, denn der Mops musste ihn gerochen haben, sonst hätte er nicht gebellt.
„Komm, Professor“, sagte Delia. „Genug geschnüffelt!“
Sie hob ihn auf, setzte ihn vorn auf den Sattel, schwang sich hinter ihn auf das Pferd und ritt bewusst langsam zu den anderen zurück ... Wenn ein Indianer sie beobachtet hatte, so sollte er nicht Verdacht schöpfen, dass sie Bescheid wusste.
Delia wartete ab, bis der Treck, der inzwischen wieder aufgestellt war, sich in Bewegung setzte. Dann ritt sie an die Seite ihres Onkels und teilte ihm ihre Entdeckung mit.
Onkel Johannes nahm Delias Beobachtung ernst.
„Was willst du nun tun?“ fragte Delia.
„Wir werden unsere Route ändern“, erklärte Onkel Johannes, „und versuchen, uns nach Südwesten zu schlagen. Wenn wir Glück haben, erreichen wir noch vor Einbruch der Dämmerung das Fort Chickdown. Dann sind wir in Sicherheit. Bei Tag werden die Indianer wohl kaum angreifen.“
Er schickte Delia als Boten von einem der begleitenden Reiter zum anderen. Delia gab seine Anweisungen weiter. Onkel Johannes selbst unterrichtete die Wagenführer von der veränderten Situation.
„Wir wollen hoffen, dass die Indianerspur keine Gefahr für uns bedeutet“, sagte er. „Aber verlassen dürfen wir uns nicht darauf. Wir müssen alles tun, damit wir nicht in die Gewalt der Wilden geraten.“
Die Wagenführer trieben die Pferde an, der Treck kam jetzt wesentlich schneller vorwärts. Die Kühe, die ein so rasches Tempo nicht gewöhnt waren, mussten sich wohl oder übel mitzerren lassen.
Kurz vor Mittag erreichten sie die offene Prärie. Scheinbar endlos dehnte sich das weite Land vor ihnen aus, eine Landschaft voll sanfter Hügel, dicht bedeckt, mit saftigem, grünem Gras, das im leichten Wind Welle auf Welle schlug.
Delia, die an der Spitze des Trecks ritt, hielt den Atem an vor freudiger Überraschung. Der Mops, der vor ihr auf dem Sattel saß, hob witternd seine stumpfe Nase.
Es war unbeschreiblich schön. Alles war übersät von Blumen. Petunienstauden neben Begonien bildeten zusammen mit strahlend blauen Lupinen, dunkelrotem Phlox und kleinen gelben Mimosen den schönsten Teppich auf grünem Grund. Bunte Schmetterlinge gaukelten über dieser Pracht, und ein langschnäbeliger, winziger Kolibri schien in der von Sonnenglut sirrenden Luft stillzustehen, um dann blitzschnell zu einem Blütenkelch niederzutauchen. In der Ferne äste ein Rudel Hirsche, so ruhig und sicher, als fühlten sie sich durchaus als Herren der Prärie.
Die Männer hätten gern versucht, eines oder zwei
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