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Delia und der Sohn des Häuptlings

Delia und der Sohn des Häuptlings

Titel: Delia und der Sohn des Häuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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spitzen Zähne des Krokodils waren durchaus kein sympathischer Anblick gewesen.
    Als die Sonne hoch am Himmel stand — Akitu hielt durch das Blätterdach eifrig Ausschau, um die Tageszeit zu bestimmen —, beschlossen sie, eine Mittagspause zu machen. Sie warteten, bis helleres Wasser ihnen verriet, dass sie in die Mündung eines Nebenflusses gekommen waren. Mit viel Mühe paddelten sie in diesen anderen Fluss hinein und ein Stück hinauf, bis sie an klares, trinkbares Wasser kamen. Dann schmausten sie vergnügt und gaben auch dem Mops einen Teil vom Essen und Trinken ab.
    Obwohl sie schon ziemlich müde waren, denn sie hatten ja in dieser Nacht wenig geschlafen, gönnten sie sich keine lange Pause. Delia konnte es kaum erwarten, mit Bill dem Trapper zu sprechen. Akitu aber hatte es eilig, weil er mit Delia wieder im Dorf sein wollte, ehe der Häuptling und seine Krieger zurückkehrten.
    Sie nahmen sich nicht einmal die Zeit, einen Damm von abgenagten Baumstämmen zu bestaunen, die ein ganzes Stück aus dem Wasser ragten.
    „Wer kann das gemacht haben?“ fragte Delia. „Indianer? Oder Fallensteller?“
    „Biber“, erklärte Akitu.
    „Wie sie das bloß fertigbringen?“ überlegte Delia.
    Aber als Akitu zu dem Damm hinlenken wollte, war ihr das nicht recht. Der Gedanke, von der Nacht auf dem Fluss überrascht zu werden, machte ihr Angst.
    Tatsächlich erreichten sie den Orio-See, als die Sonne gerade wie ein glutroter Ball über dem Wasser unterging. Es war zu spät, jetzt noch nach Bill dem Trapper zu suchen. Wichtiger war es, einen trockenen und sicheren Platz für ein Nachtlager zu finden.
    Sie wollten schon anlegen, als Delia einen Einfall hatte. Sie wies mit der Hand auf ein dunkles, zackiges Gebilde, das sich scharf aus dem rot glühenden Wasser abhob. „Eine Insel, Akitu! Lass uns dorthin paddeln!“
    Akitu war mit diesem Vorschlag einverstanden. Die kleine Insel erhob sich ein gutes Stück aus dem Wasser. Dort konnten sie sicher sein, dass kein Krokodil seinen Weg herauffand — falls es im See überhaupt Krokodile gab.
    Zuerst half Delia ihrem Mops an Land, dann warf Akitu sein Lasso geschickt um einen Baum, zog eine Schlinge, sodass Delia sich hinaufziehen konnte. Er selbst folgte als Letzter, nachdem er Delia den Ledersack mit dem Rest der Vorräte, Bogen und Pfeile und die beiden Paddel zugereicht hatte. Es war schwer, auch das Kanu hinaufzuziehen, aber sie brauchten es ja wieder, wenn sie nicht Gefangene der Insel sein wollten, und schließlich schafften sie es auch.
    Der Mops hatte schon das kleine Eiland durchstöbert. Bellend rannte er hin und her. Anfangs glaubte Delia, er wäre so aufgeregt, weil er endlich wieder Land unter den Füßen hatte. Aber dann entdeckte Akitu zwischen den dichten Büschen eine Hütte und davor die kalte Asche eines Feuers.
    Waren sie auf das Lager des Trappers Bill gestoßen? Sie wussten es nicht, und bei der hereinbrechenden Nacht konnten sie es auch nicht feststellen. Jedenfalls waren sie froh, als sie ein altes Fass fanden, das bis zur Hälfte mit Trinkwasser gefüllt war. Sie aßen den Rest ihrer Vorräte und verkrochen sich dann in die Hütte zum Schlafen.
    Die Nacht war kühl hier inmitten des Wassers. Delia fror. Sie war übermüdet, und sie hatten keine Felle zum Zudecken.
    Erst als der Mops es sich auf ihren Füßen bequem machte — vielleicht aus Anhänglichkeit, oder weil er sich selbst wärmen wollte —, begann sie sich gemütlicher zu fühlen.
    Mit geschlossenen Augen schickte sie ihr Abendgebet zum Himmel, ihre Grüße an die Mutter und die Schwestern in der fernen Heimat, ihre Gedanken an Onkel Johannes und seine Familie, die sie auf dem Treck verloren hatte — wo mochten sie jetzt wohl sein? Lebten sie noch? Und dann dachte sie an ihren Vater, den zu suchen sie nach Amerika gekommen war.
    „Bitte, lieber Gott, hilf mir, meinen Vater zu finden!“ betete sie inbrünstig — und dann war sie eingeschlafen, schnarchte mit ihrem Professor um die Wette.

Als Delia erwachte, fiel durch die offene Tür das graue, kalte Licht eines sehr frühen Morgens. Sie schauderte. Es war die kälteste Stunde der Nacht, kurz vor Sonnenaufgang.
    Der Mops lag nicht mehr auf ihren Füßen, und nach einem Blick zur anderen Seite der Hütte hin stellte sie fest, dass auch Akitu seinen Schlafplatz verlassen hatte. Fast im gleichen Moment schlug der Hund an.
    Mit einem Satz war Delia auf den Beinen, rannte ins Freie. Der See lag glatt und klar vor ihr wie eine Fläche aus

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