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Delia und der Sohn des Häuptlings

Delia und der Sohn des Häuptlings

Titel: Delia und der Sohn des Häuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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poliertem Silber. Büsche und Bäume und das jenseitige Ufer hoben sich in schwarzen Umrissen davon ab. Eine Schar Enten kreiste hoch in der Luft über der kleinen Insel.
    Delia ließ sich keine Zeit, die Natur zu betrachten. Sie stürmte in die Richtung, aus der das Bellen kam. Dann sah sie den Professor. Er stand, die Vorderpfoten fest auf den Boden gestemmt, den kugelrunden Kopf zurückgeworfen, und bellte aus Leibeskräften einen großen Mann an, der sich schattenhaft von der hellen Fläche des Sees abhob. Delia konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber nur zu deutlich sah sie den doppelläufigen, silberbeschlagenen Stutzen, mit dem er genau auf ihren Mops zielte.
    Ohne sich einen Augenblick zu besinnen, schrie Delia: „Nicht schießen!“ Sie stürzte vor, riss den Mops hoch und drückte ihn gegen die Brust.
    „Hands up!“ sagte eine kalte, harte Stimme aus der Richtung des großen Baumes her.
    Beinahe klang es, als wenn ein erwachsener Mann diese drohende Aufforderung ausstieße. Aber Delia ließ sich nicht täuschen, sie wusste, dass Akitu ihr zur Hilfe gekommen war. Sie konnte sich genau vorstellen, wie er jetzt mit gespanntem Bogen hinter dem dicken Baumstamm verborgen stand und auf den Eindringling zielte.
    Der war überhaupt nicht einzuschüchtern. Er ließ zwar das Gewehr sinken, machte aber keine Anstalten, die Hände hochzunehmen.
    „Nanu“, sagte er auf Deutsch, „das nenne ich aber nicht gerade einen herzlichen Empfang!“
    „Bill!“ schrie Delia. „Bill der Trapper!“ Sie sprang vor, stellte sich schützend vor den großen Mann. „Nicht schießen!“ rief sie noch einmal, diesmal zu Akitu gewandt.
    Der Sohn des Häuptlings kam heran, hielt den Bogen aber immer noch schussbereit in der Hand.
    Der Trapper lachte. „Ach so, es ist nur dein kleiner Freund! Das hätte ich mir denken können. Vor dem fürchte ich mich nun wirklich nicht!“ Er legte Delia die Hand freundschaftlich in den Nacken und schüttelte sie leicht.
    Der Mops, den Delia immer noch an die Brust gepresst hielt, schnappte nach seinem Arm und hätte ihn auch bestimmt gebissen, wenn Delia nicht unwillkürlich einen Schritt beiseite getan hätte, um sich von dem Griff des Mannes zu befreien. In diesem Augenblick fühlte sie sich ganz als Indianerin, als Häuptlingstochter, für die Vertraulichkeiten dieser Art nicht in Frage kamen.
    Bill der Trapper begriff sofort, dass er einen Fehler gemacht hatte. „Na, entschuldige schon“, sagte er. „Sei friedlich, es war nicht so gemeint. Könntest du nicht dieses kleine Ungeheuer an die Leine nehmen?“
    „Mein Professor ist ganz harmlos“, erklärte Delia mit Würde. „Er wird nur wütend, wenn jemand mich angreift.“
    „Aber das habe ich doch gar nicht getan!“
    „Sie sind hier auf die Insel gekommen, und Sie haben mich angefasst!“
    „Also hör mal“, sagte Bill ärgerlich, „immerhin ist das meine Insel! Jedenfalls habe ich die Hütte gebaut, und bisher hat noch niemand versucht, mir diesen Besitz streitig zu machen!“
    „Na, dann will ich Ihnen das mal glauben“, sagte Delia gnädig. „Aber Sie dürfen nicht erwarten, dass ein Hund das kapiert — auch wenn es sich um keinen gewöhnlichen Hund, sondern um einen erstklassigen, rassereinen Mops handelt.“
    Sie sprach dem Professor gut zu, setzte ihn auf die Erde. Er stellte sich neben ihre Füße, hielt seine großen Glubschaugen aber unentwegt auf den Trapper gerichtet, jeden Augenblick bereit, sein Frauchen zu verteidigen.
    „Übrigens ist er nur halb so gefährlich wie Akitu“, erklärte Delia. „Ich an Ihrer Stelle würde ihn nicht auslachen, Mister Bill! Seine Waffe ist nicht so harmlos, wie Sie glauben. Ich möchte wetten, er hat einen Giftpfeil eingelegt.“
    „Gift?“ Unwillkürlich wich der Mann einen Schritt zurück.
    „Genau“, sagte Delia. „Nach einem alten Indianerrezept gebraut. Absolut tödlich.“
    „Na, ihr seid ja reizende Kinder, das muss ich schon sagen!“
    Delia grinste. „Nur keine Angst, wir haben noch keiner Menschenseele was zuleide getan. Wir sind bloß bereit, uns zu verteidigen. Sie etwa nicht?“
    „Das schon“, musste der Trapper zugeben. „Aber schließlich bin ich ja auch ein erwachsener Mann.“
    „Und wir sind Indianer“, sagte Delia. „Wenn Ihnen etwas an unserer Freundschaft gelegen ist — und daran, dass Akitu seinen Giftpfeil wegsteckt —, dann sollten Sie uns zum Frühstück einladen. Sobald wir satt sind, werden wir nämlich entschieden friedlicher.“ Sie

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