Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
bekommen!«
»Effendi, die Urus haben ein Wort, welches lautet: ›Giöj jüksek, thsaar uzak – der Himmel ist hoch, und der Zar ist weit‹. So ist es auch mit dem Padischah. Ich werde siegen!«
»Aber Du wirst viel Blut vergießen. Sagtest Du mir nicht kürzlich, daß Du den Frieden liebst?«
»Ich liebe ihn, aber man soll ihn mir auch lassen! Diese Türken kamen, um uns die Freiheit, das Eigenthum und das Leben zu rauben; ich habe sie dennoch geschont. Jetzt spinnt man neuen Verrath. Soll ich mich nicht wehren?«
»Du sollst Dich wehren, aber nicht mit dem Säbel!«
»Womit sonst?«
»Mit diesem Briefe. Tritt mit demselben vor den Mutessarif, und er wird besiegt und geschlagen sein.«
»Er wird mir einen Hinterhalt legen und mich gefangen nehmen, wenn ich morgen nach Dscherraijah gehe!«
»Wer hindert Dich, dasselbe auch mit ihm zu thun? Er ist Dir sicherer als Du ihm, denn er hat keine Ahnung, daß Du seine Absichten kennst.«
Ali Bey sah eine ganze Weile nachdenklich vor sich nieder; dann antwortete er:
»Ich werde mich mit Mir Scheik Khan besprechen. Willst Du mit mir nach dem Thale Idiz reiten?«
»Ich reite mit.«
»Vorher aber will ich diese Menschen da unten unschädlich machen. Tritt nicht mit ein, sondern erwarte mich hier!«
Warum sollte ich ihn nicht in das Zelt begleiten? Seine Hand lag am Dolche, und sein Auge blickte entschlossen. Wollte er mich verhindern, eine rasche That zu verhüten? Ich stand wohl eine halbe Stunde allein, und während dieser Zeit hörte ich die zornigen Töne einer sehr erregten Unterhaltung. Endlich kam er wieder. Er hatte ein Papier in der Hand und gab es mir.
»Lies! Ich will hören, ob es ohne Falschheit ist.«
Es enthielt die kurze, gemessene Weisung an die befehligenden Offiziere, alle Waffen und auch die Munition sofort an diejenigen Dschesidi zu übergeben, deren Anführer diesen Befehl vorzeige.
»Es ist richtig. Aber wie hast Du das erlangt?«
»Ich hätte ihn und den Makredsch sofort erschießen lassen und die Kanonade begonnen. In einer Stunde wären wir mit ihnen fertig gewesen.«
»Nun bleibt er gefangen?«
»Ja. Er wird mit dem Makredsch bewacht.«
»Und wenn sich die Seinen nicht fügen?«
»So werde ich meine Drohung wahr machen. Bleibe hier, bis ich zurückkehre, und Du wirst sehen, ob mich die Türken respektiren.«
Er ertheilte noch einige Befehle und stieg dann nach der Batterie hinab. In der Zeit von zehn Minuten waren alle Dschesidi kampfbereit. Die Schützen lagen mit aufgenommenen Schießgewehren in ihren Verstecken, und die Artilleristen standen zum Schusse fertig bei den Geschützen. Ihre Verschanzung öffnete sich, um gegen zweihundert Dschesidi und wohl an die dreißig Maulesel durchzulassen. Diese Thiere bestanden meist aus denen, welche wir mit den Kanonieren gefangen genommen hatten. Dieser Zug blieb in einiger Entfernung halten, während der Anführer desselben vorschritt und den Platz aufsuchte, an welchem sich die Offiziere der Osmanen befanden.
Ich konnte von meinem Standpunkte aus dies Alles sehr genau beobachten. Es gab eine ziemlich lange Zeit der Verhandlung. Dann jedoch traten die Soldaten in Trupps zusammen, welche einer nach dem andern bis in die Nähe der Maulthiere vormarschirten, um dort die Waffen abzulegen. Dies lief nun allerdings nicht ganz glatt und ruhig ab, besonders da auch sämmtliche Chargen gezwungen waren, sich von Säbel und Pistole zu trennen; aber es blieb nur bei leeren Kraftworten, da die Türken wußten, daß jeder thatsächliche Widerstand mit Kartätschen gebrochen werden solle.
Ali Bey war kaum eine Stunde lang entfernt gewesen, so kehrte er zurück. Ihm folgten die mit den Waffen beladenen Maulthiere, deren Treiber beordert waren, die kostbare Beute nach dem Thale Idiz zu bringen. Auch der Kaimakam wurde von einigen Kriegern in Sicherheit gebracht. Man führte ihn dorthin, wo der Makredsch das Glück hatte, die Gesellschaft des dicken Artilleriehauptmannes und seines tapfern Lieutenants zu genießen. Er konnte mit diesen Beiden auf Beförderung warten und unterdessen ›Tabak aus Schiras‹ rauchen.
Nun machten auch wir uns auf den Weg. Halef ritt mit. Mein Baschi-Bozuk war nicht zu sehen; jedenfalls hatte er aus Langeweile seinen Esel spazieren geritten. Auf dem Wege nach dem Thale Idiz begegneten wir einer langen Reihe zurückkehrender Dschesidi. Sie hatten ihren Beitrag zum Baue des Grabmales geleistet und sollten nun zu demselben Zwecke eine gleiche Anzahl ihrer Gefährten
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