Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Schammar zu zählen sind.
Dieses Land, dessen Quadratmeilenzahl man heut noch nicht genau anzugeben vermag, wurde im Alterthum eingetheilt in Arabia peträa, in Arabia deserta und in Arabia felix, zu Deutsch: in das peträische, wüste und glückliche Arabien. Wenn noch öfters jetzt gewisse Geographen der Ansicht sind, daß der Ausdruck peträa abzuleiten sei von dem griechisch-lateinischen Worte, das ›Stein, Fels‹ bedeutet, und deßhalb diesen Theil des Landes das ›steinichte‹ Arabien nennen, so beruht das auf einer irrthümlichen Auffassung; dieser Name ist vielmehr zurückzuführen auf das alte Petra, welches die Hauptstadt dieser nördlichsten Provinz des Landes war. Der Araber nennt seine Heimat Dschesirat el Arab, während sie bei den Türken und Persern Arabistan geheißen wird. Die jetzige Eintheilung wird verschieden angegeben; die nomadisirenden Einwohner lassen jedoch nur den einzigen Unterschied der Stämme gelten.
Über diesem Lande wölbt sich ein ewig heiterer Himmel, von welchem des Nachts die Sterne rein und klar herniederblicken; durch die Bergschluchten und über die zum großen Theile noch unerforschten Wüsten-Ebenen schweift der halbwilde Sohn der Steppe auf prachtvollem Pferde oder auf unermüdlichem Kameele. Sein Auge ist überall, denn er lebt mit aller Welt in Streit und Unfrieden, nur mit den Angehörigen seines Stammes nicht. Von einer Grenze bis zur anderen zieht bald der sanfte Hauch einer reinen, milden, bald der rauschende Odem einer trüben, wilden Poesie, welcher den Wanderer überall umweht, wo er nur immer weilen mag. So kommt es, daß man bereits vor langen Jahrhunderten Hunderte von arabischen Dichtern und Dichterinnen kannte, deren Lieder im Munde des Volkes lebten und die mit Hilfe des Griffels für spätere Zeiten festgehalten wurden.
Als Stammvater der echten Araber oder Joktaniden gilt Joktan, der Sohn Hud’s, welcher ein Abkömmling Sem’s im fünften Gliede war, und dessen Nachkommen das glückliche Arabien und die Küste Tehama bis hinab zum persischen Meerbusen bewohnten. Jetzt suchen viele Stämme eine Ehre darin, von Ismaël, dem Sohne Hagar’s, abzustammen.
Dieser Ismaël soll, wie die Sage berichtet, mit seinem Vater Abraham nach Mekka gekommen sein und dort die heilige Kaaba errichtet haben. Das Wahre aber ist, daß die Kaaba von dem Stamme der Koreïschiten gestiftet oder wenigstens ausgebaut wurde. Unter den Heiligthümern, die sie besaß, warender Brunnen Zem-Zem und der angeblich vom Himmel gefallene schwarze Stein die berühmtesten.
Hierher pilgerten die verschiedenen Stämme der Araber, um da ihre Stamm- oder auch wohl Haus-Götzen aufzustellen und ihnen ihre Opfer und Gebete darzubringen. Daher war Mekka den Arabern das, was Delphi den Griechen und Jerusalem den Juden gewesen ist; es bildete den Mittelpunkt für die weithin zerstreuten Nomaden, die sich ohne denselben in allen Richtungen verloren hätten.
Da sich dieser hochwichtige Punkt im Besitze der Koreïschiten befand, so war dieser Stamm der mächtigste und angesehenste Arabien’s und in Folge dessen auch der reichste, weil die von allen Seiten herbeikommenden Pilger nie ohne Geschenke oder werthvolle Handelswaaren anzulangen pflegten.
Ein armer Angehöriger dieses Stammes, Namens Abd Allah, starb im Jahre 570 nach Christus, und einige Monate später, am 20. April 571, der auf einen Montag fiel, gebar seine Witwe Amina einen Knaben, welcher später Mohammed genannt wurde. Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Knabe vorher einen andern Namen getragen hat und erst dann, als seine prophetische Wirksamkeit ihn zu einem hervorragenden Manne machte, den Ehrennamen Mohammed erhielt. Dieser Name wird auch Muhammed, Mohammad und Muhammad geschrieben, und aus Ehrfurcht vor dem Propheten wagt es nie ein Gläubiger, ihn in dieser Fassung zu tragen; das Wort wird dann meist in Mehemmed verwandelt.
Dem Knaben waren von seinem Vater nur zwei Kameele, fünf Schafe und eine abyssinische Sklavin hinterlassen worden, weßhalb er sich zunächst auf den Schutz seines Großvaters Abd-al-Mokalib und nach dessen Tode auf die Unterstützung seiner beiden Oheime Zuheir und Abu Taleb angewiesen sah. Da diese Männer aber nicht viel für ihn thun konnten, so mußte er sich sein Brod als Schafhirtenjunge verdienen. Später wurde er Kameeltreiber und Bogen- und Köcherträger, wobei sich wahrscheinlich sein kriegerischer Sinn entwickelt hat.
Als er fünfundzwanzig Jahre zählte, trat er in den Dienst der
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