Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Tyrannei 120,000 Menschen das Leben kostete.
Noch schlimmer als Muawijah zeigte sich sein Sohn Dschezid. Zur Zeit dieses Scheusales hielt sich Hosseïn in Mekka auf, wo er aus Kufa Boten empfing, welche ihn aufforderten, zu ihnen zu kommen, da sie ihn als Khalifen anerkennen wollten. Er folgte dem Rufe – zu seinem Verderben.
Mit kaum hundert Getreuen langte er vor Kufa an, fand aber die Stadt bereits von seinen Feinden besetzt. Er verlegte sich auf erfolgloses Unterhandeln. Die Lebensmittel gingen ihmaus; das Wasser vertrocknete in dem Sonnenbrande; seine Thiere stürzten, und seinen Begleitern schaute der blasse Tod aus den eingesunkenen fieberfunkelnden Augen. Er rief vergebens Allah und den Propheten um Hülfe und Rettung an; sein Untergang stand ›im Buche verzeichnet‹. Obeïd ‘Allah, ein Heerführer Dschezid’s, drang bei Kerbela auf ihn ein, massakrirte seine ganze Begleitung und ließ auch ihn selbst umbringen. Man fand ihn aus Mangel an Wasser bereits dem Tode nahe; aber man hatte kein Mitleid mit ihm, und er wehrte sich vergebens mit der letzten Kraft seines schwindenden Lebens – man schnitt ihm den Kopf ab, der auf eine Lanze gesteckt und im Triumphe herumgetragen wurde.
Dies geschah am 10. Muharrem, und bis auf heute ist dieser Tag bei den Schiiten ein Tag der Trauer. In Hindostan trägt man ein Bild von Hosseïn’s Kopf auf einer Lanze herum, wie es nach seinem Tode geschah, und ahmt mit einem aus edlen Metallen gefertigten Hufeisen den Lauf seines Renners nach. Am 10. Muharrem ertönt ein Weheschrei von Borneo und Celebes über Indien und Persien bis zum Mogreb Asien’s, wo die Schia nur noch zerstreute Anhänger hat, und dann gibt es in Kerbela eine dramatische Vorstellung, welche an Scenen der wildesten Verzweiflung seines Gleichen sucht. Wehe dem Sunniten, wehe dem Giaur, welcher an diesem Tage sich in Kerbela unter der bis zur Tobsucht aufgeregten Rotte der Schiiten sehen lassen wollte! Er würde in Stücke zerrissen! – – –
Diese historische Einleitung mag zum besseren Verständniß des Nachfolgenden dienen.
Wir hatten am Zab den Entschluß gefaßt, den Fluß entlang bis zu den Schirban- und dann den Zibar-Kurden zu reiten. Bis zu den Schirbani hatten wir Empfehlungen vom Bey zu Gumri und von dem Melek in Lizan erhalten, und von da aus hofften wir auf weitere Unterstützung. Die Schirbani nahmen uns gastfreundlich auf, von den Zibari aber wurden wir sehr feindselig empfangen; doch gelang es mir später, mich ihrer Theilnahme zu versichern. Wir kamen glücklich bis zum Akrafluß, stießen aber hier bei der wilden Bergbevölkerung auf eine so große Böswilligkeit, daß wir nach verschiedenen schlimmen Erfahrungen uns nach Südost wenden mußten. Wir überschritten den Zab östlich des Ghara Surgh, ließen Pir Hasan links liegen und sahen uns genöthigt, da wir den dortigen Kurden keineswegs trauen durften, längs des Dschebel Pir Mam nach Südost zu halten, um dann nach rechts umzubiegen und irgendwo zwischen dem Diyaleh und kleinen Zab den Tigris zu erreichen. Wir hofften, bei den Dscherboa-Arabern gastlich aufgenommen zu werden und sichere Wegweiser zu finden, erfuhren aber zu unserem Leidwesen, daß dieselben sich mit den Obeïde und Beni-Lam verbündet hatten, um alle Stämme zwischen dem Tigris und Thathar die Spitzen ihrer Speere fühlen zu lassen. Nun waren die Schammar zwar mit dem einen Ferkah der Obeïde, dessen Scheik Eslah al Mahem war, befreundet, aber dieser Mann konnte seine Gesinnung geändert haben, und von den andern Ferkah wußte Mohammed Emin genau, daß sie den Haddedihn feindlich gesinnt seien. Unter diesen Umständen war es am gerathensten, unsere Richtung zuerst nach Sulimania zu nehmen und uns dann weiter zu entscheiden. Hatten wir Amad el Ghandur befreit und glücklich bis hierher gebracht, so wollten wir nun lieber einen Umweg einschlagen, als uns wieder in neue Gefahren begeben.
So gelangten wir nach längerer Zeit und mancherlei Anstrengungen und Entbehrungen glücklich an das nördliche Zagrosgebirge.
Es war Abend, und wir lagerten am Rande eines Tschimarwaldes. Über uns wölbte sich ein Firmament, dessen Glanz nur in diesen Gegenden in solcher Reinheit und Kraft zu beobachten ist. Wir befanden uns in der Nähe der persischen Grenze, und die Luft Persien’s ist ja wegen ihrer Klarheit berühmt. Das Licht des Planeten war so stark, daß ich, trotzdem der Mond weder im Kalender noch am Himmel stand, die Zeiger meiner Taschenuhr auf drei
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