Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
vollständiger Sicherheit befinden wird.«
So endete unsere Unterhaltung.
Wir blieben noch volle fünf Tage an dieser Stelle und brachen erst auf, nachdem wir die feste Überzeugung erlangt hatten, daß die Kräfte sämmtlicher Begleiter wieder hergestellt seien. Der Ritt durch die Berge ging ganz glücklich von Statten, und auch, was ich vorher nicht gedacht hätte, die Ebene wurde zurückgelegt, ohne daß wir eine feindselige Begegnung mit Arabern hatten, was allerdings mehr unserer Vorsicht als dem guten Willen der Beduinen zuzuschreiben war.
Hinter Beni Seyd, vier Wegstunden nordöstlich von Bagdad, machten wir an einem Kanale Halt. Von hier aus sollte ich nach Ghadim reiten, um mit Mirza Selim Agha, welchem Hassan Ardschir seine Habe anvertraut hatte, zu sprechen. Unser kleiner Trupp machte an einem Platze Halt, an dem nicht so leicht eine Störung zu befürchten war. Ich half vorerst das Lager fertig stellen und erhielt sodann den Brief Hassan’s, welcher mir als Beglaubigung dienen sollte.
»Werde ich Selim Agha wirklich bereitwillig finden?« frug ich ihn.
»Er hat Dir zu gehorchen, als ob ich selbst an Deiner Stelle wäre. Du übernimmst Alles, was er hat, und sendest ihn, sobald Du seiner nicht mehr bedarfst, mit dem Manne, den ich Dir mitgebe, heraus zu mir. Ich aber werde hier warten, bis Du selbst zurückkehrst. Du wirst alle meine Sachen verkaufen, und was Du thust, ist mir recht.«
Der Engländer sah diese Vorbereitungen zum Weiterritte und meinte:
»Nach Bagdad, Master? – Ich gehe mit!«
Ich hatte nichts dagegen einzuwenden. Aber noch Einer wollte mit, nämlich Halef. Dies ging jedoch nicht an, da er zum Schutze des Lagers nöthig war.
Wir ritten ab und erreichten nach zwei Stunden die dritte Krümmung des Tigris oberhalb Bagdad, in deren Innerm Ghadhim jenseits des Flusses liegt. Wir schwenkten von dem Postwege, welcher nach Kerkuk, Erbil, Mossul und Diarbekir führt, rechts ab, ritten an der dort liegenden großen Ziegelei vorüber und ließen uns übersetzen. Durch freundliche Palmengärten erreichten wir nun Ghadhim, welches ausschließlich von schiitischen Persern bewohnt wird.
Dieser Ort steht auf ›heiligem‹ Boden, denn dort befindet sich die Grabstätte des Imam Musa Ibn Dschafer. Dieser berühmte Mann hatte die Pilgerreise nach Mekka und Medina an der Seite des Khalifen Harun al Raschid gemacht. In letzterer Stadt begrüßte er die Grabstätte des Propheten mit den Worten: ›Heil Dir, Vater!‹ während der Khalif es nur mit den Worten: ›Heil Dir, Vetter!‹ gethan hatte. »Wie, Du willst mit dem Propheten näher verwandt sein als ich, der Nachfolger desselben!« rief Harun zornig, und von dieser Zeit an haßte ihn Al Raschid ebenso, wie er ihn früher geachtet und bevorzugt hatte. Musa Ibn Dschafer ward in den Kerker geworfen, in welchem er sein Leben beschloß. Aber nach seinem Tode erhob sich über seinem Grabe ein prächtiger Tempel, dessen Kuppel ächt vergoldet ist, mit vier schönen Minareh’s.
Ghadhim ist ferner merkwürdig durch eine so spezifisch abendländische Institution, daß ihr Anblick in dieser Umgebung gradezu befremdend wirkt: es besitzt nämlich eine Pferdebahn, welche ihren Ausgangspunkt am Arsenal zu Bagdad hat. Sie wurde von dem reformfreundlichen Gouverneur Midhat Pascha erbaut, welcher später in Stambul eine so hervorragende Rolle spielte. Wäre dieser Mann von seinem Posten als Generalstatthalter von Irak nicht abberufen worden, so besäße Mesopotamien eine Eisenbahn, deren Zweck wäre, die Euphrat- und Tigrisländer über die Hauptorte Syrien’s hinweg mit Konstantinopel zu verbinden. Leider ist dieses hochwichtige Unternehmen bis auf den heutigen Tag Projekt geblieben. Mußte Midhat Pascha doch sogar die Interessenten seiner Pferdebahn mit Peitschenhieben zusammentreiben lassen: eine sehr deutliche Illustration der Stabilität des Muhammedanismus.
Die Perser, welche Ghadhim bevölkern, sind meist Händler und Kaufleute, die täglich in Geschäften nach Bagdad kommen. Um unter dieser Bevölkerung den Agha zu finden, mußte ich mich nach einem Karavanenhof begeben, deren es in Bagdad viele und auch in Ghadhim einige gibt.
Es war um die Mittagszeit und im Juli, und wir hatten ganz sicher fünfunddreißig Grad Hitze nach Reaumur. Eine fast undurchsichtige Luft lag über der Stadt, und wer uns begegnete, hatte das Gesicht verhüllt. In einer der Gassen begegnete uns ein Mann in reicher, persischer Kleidung; er ritt einen Schimmel, welcher ein
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