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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ommejaden. Hier lebte der berühmte Harun al Raschid an der Seite der schönen Zobeïde, welche mit ihm die gleiche Frömmigkeit und die gleiche verschwenderische Prachtliebe theilte. Sie pilgerten wiederholt nach Mekka und ließen den ganzen Weg dorthin mit den kostbarsten Teppichen belegen. Wo aber ist heute der kostbare, goldene Baum mit seinen Diamant-, Smaragd-, Rubinen-, Saphir- und Perlenfrüchten, welcher den Thron Harun’s beschattete? – Dieser Khalif wurde Al Raschid genannt, und doch war er ein hinterlistiger Tyrann, welcher den abscheulichsten Meuchelmord an seinem treuen Vezier Djafer beging, seine Schwester nebst deren Kind lebendig einmauern ließ und die edle Familie der Barmekiden abschlachtete. Der Schimmer, welchen die Märchen von ›Tausend und eine Nacht‹ um ihn verbreiteten, ist Trug, denn die Geschichte hat längst nachgewiesen, daß der wirkliche Harun ein Anderer als der Harun der Sage ist. Von seinem Volke vertrieben, flüchtete er sich nach Rakka und starb in Rhages in Persien. Begraben liegt er unter goldenem Kuppeldache in Meschhed in Khorassan; Zobeïde aber, die Verschwenderin von Millionen, ruht am Wüstensaume in einem verwahrlosten Gottesacker unter einem Grabmale, welches die Jahrhunderte zerrissen und zerbröckelt haben. – Hier lebte auch der Khalif Maamun, welcher die Göttlichkeit des Kuran leugnete und die ›ewige Vernunft‹ anbetete. Unter ihm floß der Wein in Strömen, und unter seinem Nachfolger Motassim wurde es noch ärger. Er baute in öder, nackter Gegend die Residenz Samarra, allerdings ein Paradies, aber an diesem Paradiese wurde der Staatsschatz ganzer Herrschergeschlechter vergeudet. Hier wurde die gemeinste Sinnlichkeit zur Ekstase getrieben, und während man den freundlichen Blick einer Sirene mit einem ganzen Vermögen bezahlte, mußten die Unterthanen am Nöthigsten darben. Dem Statthalter des Propheten Mutawakkil genügte auch dieses nicht. Er baute sich eine neue Residenz, und um etwas noch nie Dagewesenes zu leisten, sollte das Balkenwerk aus dem alten, weitberühmten ›Baum des Zoroaster‹ geschnitten werden. Dieser Baum, eine riesige Cypresse, stand bei Tus in Khorassan. Vergebens war das Flehen der Magier und Priester der Sonnenlehre. Sie botendie unglaublichsten Summen, um das ihnen heilige Wahrzeichen ihres Glaubens zu retten; aber vergebens. Der Baum wurde umgehauen. Man schleifte seine Theile den ungeheuren Weg zum Tigris hinab und gelangte daselbst grad in dem Augenblick an, als Mutawakkil von seiner türkischen Leibwache ermordet wurde.
    Mit ihm war der Glanz der Khalifen erblichen, und der Ruhm der ›Stadt des Heiles‹ erlosch immer mehr. Bagdad soll damals 100,000 Moscheen, 80,000 Bazarhallen, 60,000 Bäder, 12,000 Mühlen, ebensoviele Karawanserais und zwei Millionen Einwohner besessen haben. Welch ein Unterschied gegen das heutige Bagdad! Schmutz, Staub, Trümmer und Lumpen überall. Sogar die Brücke, auf welcher ich hielt, war defekt, und ihr elendes Flechtwerkgeländer hing in Fetzen herab. Statt ›Dar ul Khalifet‹ oder ›Dar us Sallam‹ wäre die Stadt jetzt viel treffender ›Dar et Taun‹ zu nennen. Trotz des heute noch prächtigen Anblickes, den sie bietet, besteht der dritte Theil des innerhalb der Stadtumwallung liegenden Terrain aus Friedhöfen, Pestfeldern, Sumpflachen und modrigem Häuserschutt, wo der Aasgeier mit anderem Gelichter sein Wesen treibt. Die Pest stellt sich alle fünf oder sechs Jahre ein und fordert ihre Opfer stets nach Tausenden. Der Moslem zeigt auch solchen Fällen gegenüber seine unheilbringende Indolenz. »Allah sendet es; wir dürfen nichts dagegen thun,« sagt er. Bei der so entsetzlichen Epidemie des Jahres 1831 gab sich der Vertreter England’s alle Mühe, zur Steuerung der Seuche umfassende Vorkehrungen zu treffen; da aber erhoben sich die Mullahs gegen ihn, und er wurde durch das Argument, daß sein Beginnen gegen den Kuran sei, in die Flucht geschlagen. Die Folge davon war, daß jeder einzelne Tag bis an dreitausend Pestleichen forderte. Dazu kam der Verfall der Kanäle, in Folge dessen in einer einzigen Nacht mehrere Tausend Häuser über ihren Bewohnern zusammenbrachen.
    Bei diesen Gedanken war es mir, als ob auch mich das Contagium ergriffen habe. Trotz der Hitze überlief es mich kalt. Ich schüttelte mich und ritt den Andern schnell nach, um aus der Stadt und meinen Gedanken fortzukommen.
    Zwischen der Straße nach Basra links und derjenigen nach Deïr rechts, kamen wir an

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