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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hast.«
    »Sage es ihm oder sage es ihm nicht, das ist mir gleichgültig, denn ich werde Dich auf alle Fälle so behandeln, wie Du es verdienst.«
    Unsere laute Unterredung hatte die Schläfer geweckt. Die Vorbereitungen zum Aufbruche waren getroffen, und dann setzten wir im Kurierschritte unsere Reise fort. Ich sah während des Rittes Selim Agha sehr eifrig auf Hassan Ardschir einsprechen, und bald darauf blieb dieser bei mir zurück.
    »Emir, erlaubst Du mir, mit Dir über Selim zu reden?« frug er.
    »Ja.«
    »Du liebst ihn nicht?«
    »Nein.«
    »Aber Du möchtest ihn doch nicht beleidigen!«
    »Er hat die Beleidigung hingenommen, ohne sich zu vertheidigen; ich habe ihm also kein Unrecht gethan.«
    »Ist es ein Grund, aufgehangen zu werden, wenn Einem sein Pferd fortläuft?«
    »Nein. Aber ein Grund zum Gehängtwerden ist es, wenn Einer fortreitet, um mit Leuten zu verkehren, welche seine Gefährten überfallen sollen.«
    »Emir, ich habe schon bemerkt, daß Deine Seele krank und Dein Leib müde ist; darum sieht Dein Auge Alles schwarz, und Deine Rede ist bitter wie die Medizin der Aloë. Du wirst wieder gesund werden und Deinen Irrthum erkennen, denn Dein Urtheil ist gerecht gewesen, so lange ich Dich kenne. Selim ist mir treu gewesen seit vielen Jahren; er wird es bleiben, bis Allah ihn von der Erde beordert.«
    »Und sein Schleichen nach dem Kirchhofe der Engländer?«
    »War ein Zufall; er hat es mir vorhin erzählt. Der Abend war so schön, und er ging spazieren; er kam zum Friedhofe, ohne zu wissen, daß sich Leute dort befanden. Es waren friedliche Wanderer, welche von Räubern erzählten und dabei allerdings auch von Beute sprachen. Ich habe Dir bereits gesagt, daß mich dies nicht irre machen kann.«
    »Glaubst Du wirklich, daß ihm heut sein Pferd entflohen ist?«
    »Ich zweifle nicht daran.«
    »Und glaubst Du, daß Selim Agha der Mann ist, ein entflohenes Pferd im Dunkeln zu finden?«
    »Warum nicht?«
    »Auch wenn es sehr weit entwichen ist? Das Thier war ganz mit Schaum und Schweiß bedeckt.«
    »Er hat es zur Strafe sehr scharf angestrengt. Ich bitte Dich, ihn besser zu beurtheilen, als bisher!«
    »Das soll gern geschehen, wenn er sich bestrebt, weniger heimlich zu thun, als bisher.«
    »Ich werde es ihm befehlen. Du aber bedenke, daß der Mensch sich irrt; nur Allah allein ist allwissend!«
    Mit dieser Ermahnung schloß er unsere Unterhaltung.
    Was sollte ich thun, oder vielmehr, was konnte ich thun? Ich war vollständig überzeugt, daß dieser Selim irgend eine Spitzbüberei im Schilde führte; ich war überzeugt, daß er heut Nacht mit den Männern zusammengekommen war, mit denen er im Friedhof der Engländer gesprochen hatte. Wie aber wollte ich das beweisen? Ich war matt; ich hatte das Gefühl, als ob meine Knochen marklos und hohl geworden seien, und als ob mein Kopf eine große Trommel sei, auf welcher dumpf gewirbelt würde; ich merkte, daß meine Willenskraft langsam schwand und ich gleichgültig gegen Dinge ward, die sonst meine ganze Thatkraft herausgefordert hätten. Daher nahm ich auch die Bitte Hassan Ardschir’s, welche einer Zurechtweisung ähnlicher war alseiner Anerkennung, gleichmüthig hin und nahm mir nur vor, im Stillen so viel wie möglich auf der Hut zu sein.
    Unsere Thiere trugen uns schnell über den ebenen Boden dahin. Die Pilger, an denen wir vorüber kamen, mehrten sich; die Odeurs sans parfum wurden immer unerträglicher, und noch am Vormittage sahen wir die lange Linie der Karavane am westlichen Horizonte auftauchen.
    »Umreiten wir sie?« frug ich.
    »Ja,« antwortete Hassan, und auf einen Wink von ihm bog der Führer zur Seite, um uns aus der Spur des Zuges zu bringen.
    Bald befanden wir uns allein im freien Felde, und die Luft war reiner geworden, und wir athmeten sie mit Wonne ein. Der schnelle Ritt hätte mir gefallen können, wenn uns nicht so sehr viele Gräben und Kanäle den Weg versperrt hätten. Beimeinem Kopfschmerze verursachte mir das Passiren dieser Hindernisse nicht geringe Pein, und ich war froh, als wir gegen Mittag absaßen, um die größte Tageshitze vorübergehen zu lassen.
    »Sihdi,« sagte Halef, der mich immer beobachtet hatte, »Dein Angesicht ist grau, und Deine Augen haben einen Ring; ist Dir sehr unwohl?«
    »Nur Kopfschmerz. Gib mir Wasser aus dem Schlauche und die Essigflasche!«
    »Ich wollte, ich könnte diesen Schmerz in meinen Kopf nehmen!«
    Der gute Halef! Er ahnte nicht, was ihm selbst auch bevorstand. Wäre mein Rih nicht ein so

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