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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ausgezeichnetes Pferd gewesen, so hätte ich den Ritt nicht aushalten können und mich vor der alten ›Aloe‹ schämen müssen, die wie ein ungarischer Tzikos ritt, was ich dieser persischen Huldgöttin gar nie zugetraut hätte.
    Endlich, am späten Nachmittag, sahen wir zu unserer rechten Hand die Ruine El Himaar vor uns auftauchen; sie liegt nur wenig über eine Meile von Hilla entfernt. Bald erschien der vor El Mudschellibeh stehende Höhenzug und südlicher die Amran-Ibn-Aly-Stätte; wir gelangten durch die am linken Euphratufer liegenden Gärten von Hilla und ritten über eine höchst unzuverlässige Schiffbrücke in das Städtchen. Dasselbe ist berüchtigt durch sein Ungeziefer, seine selbst für den Orient grenzenlose Unreinlichkeit und seine bis zur Tollheit fanatische Bevölkerung. Wir hielten uns nur so lange auf, als nöthig war, um anderthalb Schock am Wege sitzender Bettler summarisch zu befriedigen, und eilten dann weiter, dem Birs Nimrud, dem babylonischen Thurm zu, der dritthalb Wegstunden im Südwesten von Hilla liegt. Da diese Stadt ungefähr die Mitte des noch vorhandenen Ruinenfeldes einnimmt, so kann man sich eine Vorstellung von der ungeheuren Ausdehnung des alten Babel machen.
    Die Sonne neigte sich dem Horizonte zu, als wir neben der Ruine Ibrahim Cholil den Birs Nimrud aufsteigen sahen, umgeben von Sumpf- und Wüstenland. Die Ruine des Thurmes mag heut eine Höhe von höchstens fünfzig Meter haben, und auf ihr sieht man einen vereinzelten Pfeilerschaft, welcher etwas über zehn Meter hoch die Umgebung beherrscht. Er ist der einzige noch aufrechtstehende Rest der ›Mutter der Städte‹, wie Babel genannt wurde, doch auch bereits durch einen tiefen Riß in der Mitte gespalten, und wieder mußte ich an Uhland denken:
    »Nur eine hohe Säule
Zeugt von verschwundner Pracht;
Auch diese, schon geborsten,
Kann stürzen über Nacht.«
     
    Wir machten am Fuße der Ruine halt, und während die Andern ihre Vorbereitung zum Abendimbiß trafen, stieg ich empor zur Plattform, um einen Blick auf die Umgebung zu werfen. Einsam stand ich hier oben; die Sonne hatte den Horizont erreicht, und ihre Strahlen nahmen Abschied von den Trümmern einer versunkenen Riesenstadt.
    Was war dieses Babel gewesen?
    Am Euphrat gelegen und von demselben in zwei Theile geschieden, hatte die Stadt nach Herodot einen Umfang von 480 Stadien, also von sechzehn Meilen. Sie wurde eingefaßt von einer 50 Ellen dicken und 200 Ellen hohen Mauer, welche zur Vertheidigung in gewissen Zwischenräumen mit Thürmen versehen war und außerdem noch von einem breiten, tiefen Wassergraben beschützt wurde. Hundert Thore von Erz führten durch diese Mauer in die Stadt, und von jedem dieser Thore ging eine gerade Straße nach dem gegenüberliegenden, so daß Babel also in ganz regelmäßige Vierecke eingetheilt war. Die drei bis vier Stock hohen Häuser waren von Backsteinen erbaut, die unter einander mit Erdharz verkittet wurden. Die Gebäude hatten prachtvolle Façaden und wurden durch freie Räume von einander getrennt. Das Häusermeer wurde von freien Plätzen und prachtvollen Gärten angenehm unterbrochen, in denen sich die zwei Millionen Einwohner lustwandelnd ergehen konnten.
    Auch die beiden Seiten des Stromes waren von hohen, starken Mauern eingefaßt, durch deren eherne Wasserthore, welche des Nachts geschlossen wurden, man gehen mußte, wenn man per Schiff von dem einen Ufer zu dem andern kommen wollte. Über den Fluß führte außerdem eine herrliche Brücke, welche eine Breite von 30 Fuß besaß und nach Strabo eine Stadie, nach Diodor aber eine Viertelstunde lang war. Ihr Dach konnte abgenommen werden. Um bei der Erbauung derselben den Strom abzuleiten, war im Westen der Stadt ein See von 12 Meilen Umfang und von 75 Fuß Tiefe ausgegraben worden, in welchen man den Euphrat leitete. Dieser See wurde auch später beibehalten; er hatte die Wasser der Überschwemmungen aufzunehmen und bildete ein ungeheures Reservoir, aus welchem man bei großer Dürre mittels Schleußen die Felder bewässerte.
    An jedem Ende der Brücke stand ein großer Palast; beide waren durch einen unterirdischen Gang verbunden, welcher unter dem Euphrat hinlief, wie z.B. der Tunnel unter der Themse. Die hervorragendsten Gebäude der Stadt waren: das alte Königsschloß,über eine Meile im Umfange, der neue Palast, mit dreifachen Mauern umgeben und zahllosen Bildhauerarbeiten geschmückt, und die hängenden Gärten der Semiramis. Diese bildeten ein Quadrat von

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