Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
gehandelt, darum sollen ihre Männer fallen und ihre Krieger untergehen zu derselben Zeit. Schwert soll kommen über Babel und seine Fürsten, über die Weissager und Starken, über Rosse und Wagen und über den Pöbel, der darinnen ist. Gleichwie Gott Sodom und Gomorrha umgekehrt hat, so soll auch Babel zum Steinhaufen werden, und ihre Städte zur Wüste!«
Und nun ich hier oben auf der Ruine stand, konnte ich sehen, in wie schrecklicher Weise sich das Wort des Herrn erfüllt hatte. Mit 600,000 Streitern zu Fuß, 120,000 Reitern und mit 1000 Sichelwagen, ungezählt noch Tausende von Kameelreitern, kam Cyrus und eroberte die Stadt trotz ihrer festen Lage und trotzdem sie auf 20 Jahre mit Lebensmitteln versehen war. Später ließ Darius Hystaspes die Mauern niederreißen, und Xerxes entblößte sie von allen ihren Schätzen. Als der große Alexander nach Babylon kam, wollte er den Thurm wieder herstellen; er stellte allein zur Wegräumung der Trümmer und des Schuttes 10,000 Arbeiter an, doch mußte seines plötzlichen Todes wegen der Plan aufgegeben werden. Seit dieser Zeit verfiel die Riesenstadt immer mehr und mehr, so daß heut von ihr nichts mehr zu sehen ist, als ein verwittertes Backsteinchaos, in welchem sich selbst das scharfe Auge des Forschers nicht zurecht finden kann.
Rechts vom Thurme sah ich die Straße, welche nach Kerbela, und links von ihm diejenige, welche nach Meschhed Ali führt. Grad im Norden lag Tahmasia und hinter den westlichen Wallruinen der Dschebel Menawiëh. Ich wäre gern noch länger hier oben geblieben, aber die Sonne war jetzt verschwunden, und die Kürze der Dämmerung trieb mich hinab zu den Gefährten.
Das Frauenzelt war aufgeschlagen worden, und außer Lindsay und Halef hatten sich Alle zur Ruhe gelegt. Der Letztere hatte mich noch bedienen wollen, und der Erstere hegte die Absicht, sich über die Disposition für die nächsten Tage mit mir zu verständigen. Ich vertröstete ihn auf den folgenden Morgen, wickelte mich in meine Decke und versuchte, einzuschlafen. Es ging nicht, denn eine fieberhafte Aufgeregtheit ließ mich höchstens zu einem durch öftere Pausen unterbrochenen Halbschlummer kommen, der mich nicht stärkte, sondern nur noch mehr ermüdete.
Gegen Morgen schüttelte mich ein starker Frost, der mit fliegender Hitze wechselte; ein eigenthümlicher Schmerz zuckte mir durch die Glieder, und trotz der Dunkelheit war es mir, als wenn meine Umgebung sich wie ein Carroussell rings um mich drehe. Noch dachte ich nur an ein Fieber, welches sich bald legen werde, und nahm eine weitere Dose Chinoidin, worauf ich in einen dumpfen Zustand verfiel, welcher eher Betäubung als Schlaf zu nennen war.
Als ich aus demselben erwachte, herrschte bereits reges Leben um mich her. Es war zu meinem Erstaunen neun Uhr vormittags, und eben sah man die Leichenkaravane von Hilla her getheilt an uns vorüber ziehen, ein Theil davon nach Kerbela und der andere nach Meschhed Ali. Halef bot mir Wasser und Datteln an. Ich konnte einige Schlücke trinken, aber keinen Bissen essen. Ich befand mich in einem Zustande, welcher einem recht starken Katzenjammer glich, was ich sehr wohl zu beurtheilen verstand, da ich während meiner Schülerzeit leider auch einige Male mich in jener hochelegischen Morgenstimmung befunden hatte, welche Victor Scheffel, der Dichter des Gaudeamus, mit den Worten beschreibt:
»Ein mildes Kopfweh, erst der letzten Nacht entstammt,
Durchsäuselte die Luft mit mattem Flügelschlag,
Und ein Gefühl von Armuth lag auf Berg und Thal.«
Ich wandte alle Kraft auf, diesen Zustand zu bemeistern, was mir, wenigstens einstweilen, auch leidlich gelang, und ich konnte mich sogar mit Hassan Ardschir-Mirza besprechen, welcher aufbrechen wollte, sobald der größte Theil der Nachzügler vorüber sei. Ich bat ihn dringend, sehr vorsichtig zu sein und seine Waffen stets bereit zu halten. Er stimmte bei mit einem leisen Lächeln und versprach, am 15. oder 16. Muharrem wieder hier an derselben Stelle einzutreffen. Gegen Mittag brach er auf. BeimAbschiede winkte Benda, welche bereits auf dem Kameele saß, mich näher zu sich heran.
»Emir, ich weiß, daß wir uns wiedersehen,« sagte sie, »obgleich Du so große Besorgniß hegest. Aber um Dich zu beruhigen, magst Du mir eine Bitte erfüllen: – leihe mir Deinen Dolch, bis ich wieder zurückkehre!«
»Du sollst ihn haben. Hier!«
Es war der Schambijah, welchen mir Eslah el Mahem gegen meinen Dolch geschenkt hatte, und auf dessen Klinge
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