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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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angeschafft.
    Leider war diese Anschaffung nicht ohne Geldkosten zu bewerkstelligen. Mutter mußte einen ihrer Beutel opfern, vielleicht gar zwei. Sie tat es nur mit Widerstreben. Sie fand an den Tauben nicht dasselbe Wohlgefallen, welches wir Kinder an ihnen fanden. Am meisten Vergnügen machte es uns, wenn wir beobachteten, wie die lieben Tierchen ihre zarten Kleider veränderten. Vater hatte zwei Paar sehr teure »Blaustriche« gekauft. Er brachte sie heim und zeigte sie uns. Er hoffte, wenigstens drei Taler an ihnen zu verdienen. Einige Tage später lagen die blauen Federn am Boden: sie waren nicht echt, sondern nur angeklebt gewesen. Die kostbaren »Blaustriche« entpuppten sich als ganz wertlose Feldweißlinge. Vater erwarb einen sehr schönen, jungen, grauen Trommeltäubrich für einen Taler fünfzehn gute Groschen. Nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß der Täubrich altersblind war. Er ging nicht aus dem Schlage; sein Wert war gleich Null. Solche und ähnliche Fälle mehrten sich. Die Folge davon war, daß Mutter noch einen dritten Beutel opfern mußte, um den Taubenhandel in besseren Schwung zu bringen. Freilich gab sich auch Vater große Mühe. Er feierte nicht. Er besuchte alle Märkte, alle Gasthöfe und Schankwirtschaften, um zu kaufen oder Käufer zu finden. Bald kaufte er Erbsen; bald kaufte er Wicken, die er »halb geschenkt« erhalten hatte. Er war immer unterwegs, von einem Dorf zum andern, von einem Bauer zum andern. Er brachte immerfort Käse, Eier und Butter heim, die wir gar nicht brauchten. Er hatte sie teuer gekauft, um sich die Bauerfrauen handelsgeneigt zu machen, und wurde sie nur mit Mühe und Verlusten wieder los. Dieses unstäte, unnützliche Leben förderte nicht, sondern fraß das Glück des Hauses; es fraß sogar auch noch die übrigen Leinenbeutel. Mutter gab gute Worte, vergeblich. Sie härmte sich und trug still, bis es Sünde gewesen wäre, weiter zu tragen. Da faßte sie einen Entschluß und ging zum Herrn Stadtrichter Layritz, der sich in diesem Falle viel, viel vernünftiger als damals gegen unsere Frösche zeigte. Sie stellte ihm ihre Lage vor. Sie sagte ihm, daß sie zwar ihren Mann sehr, sehr lieb habe, aber vor allen Dingen auch auf das Wohl ihrer Kinder achten müsse. Sie verriet ihm, daß sie außer den bisher erwähnten Beuteln noch einen besitze, den sie ihrem Manne noch nicht gezeigt, sondern verheimlicht habe. Der Herr Stadtrichter Layritz solle doch die Güte haben, ihr zu sagen, wie sie dieses Geld anlegen könne, um sich und ihre Kinder zu sichern. Sie legte ihm den Beutel vor. Er öffnete ihn und zählte. Es waren sechzig harte, blanke, wohlgeputzte Taler. Darob großes Erstaunen! Der Herr Stadtrichter Layritz dachte nach; dann sagte er: »Meine liebe Frau May, ich kenne Sie. Sie sind eine brave Frau, und ich stehe für Sie ein. Unsere Hebamme ist alt; wir brauchen eine jüngere. Sie gehen nach Dresden und werden für dieses Ihr Geld Hebamme. Ich werde das besorgen! Kommen Sie mit der ersten Zensur zurück, so stellen wir Sie sofort an. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Kommen Sie aber mit einer niedrigeren Zensur, so können wir Sie nicht brauchen. Jetzt aber gehen Sie heim, und sagen Sie Ihrem Mann, er solle sofort einmal zu mir kommen; ich hätte mit ihm zu reden!«
    Das geschah. Mutter ging nach Dresden. Sie kam mit der ersten Zensur zurück, und der Herr Stadtrichter Layritz hielt Wort; sie wurde angestellt. Während ihrer Abwesenheit führte Vater mit Großmutter das Haus. Das war eine schwere Zeit, eine Leidenszeit für uns alle. Die Blattern brachen aus. Wir Kinder lagen alle krank. Großmutter tat fast über Menschenkraft. Vater aber auch. Bei einer der Schwestern hatte sich der blatternkranke Kopf in einen unförmlichen Klumpen verwandelt. Stirn, Ohren, Augen, Nase, Mund und Kinn waren vollständig verschwunden. Der Arzt mußte durch Messerschnitte nach den Lippen suchen, um der Kranken wenigstens ein wenig Milch einflößen zu können. Sie lebt heute noch, ist die heiterste von uns allen und niemals wieder krank gewesen. Man sieht noch jetzt die Narben, die ihr der Arzt geschnitten hat, als er nach dem Munde suchte.
    Diese schwere Zeit war, als Mutter wieder kam, noch nicht ganz vorüber, mir aber brachte ihr Aufenthalt in Dresden großes Glück. Sie hatte sich durch ihren Fleiß und ihr stilles, tiefernstes Wesen das Wohlwollen der beiden Professoren Grenzer und Haase erworben und ihnen von mir, ihrem elenden, erblindeten und seelisch doch so

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