Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
mich »aus dem Tempel der deutschen Kunst hinauszupeitschen«. Er hat sich da des richtigen Bildes bedient, denn jede seiner Behauptungen, mit denen er mich hierauf überschüttete, war nichts weiter als ein Peitschenknall, spitz, scharf, hart, lieblos und tierquälerisch, darum die Leser empörend und ohne Wirkung in die Lust verklatschend. Ein leerer Knall mit der Knabenpeitsche war es auch, als er mich des Plagiates bezichtigte und sich erfolglose Mühe gab, die Wahrheit seiner Behauptung zu beweisen. Er sprach da wie ein Unwissender und konnte darum auch weiter nichts als die wohlbekannte Wirkung der Unwissenheit erreichen. Die »Grazer Tagespost« schreibt hierüber:
»Pater Pöllmann, ein bekannter Herr, der sich unlängst in echt christlicher Demut selbst das schmückende Beiwort eines »anerkannten Kritikers« beilegte, hat die moralische Niederlage, die er in seiner Schimpfschlacht gegen den Reiseschriftsteller Karl May erlitt, sehr bald vergessen, denn er nahm erst kürzlich den Mund wieder voll usw. usw.«
Ich hatte nämlich in einigen meiner allerersten, ältesten Reiseerzählungen, bei deren Abfassung ich noch nicht die nötige Erfahrung besaß, die Ereignisse, die ich schilderte, vor einem geographischen Hintergrunde spielen lassen, den ich bekannten, Jedermann zugänglichen Werken entnahm. Das ist nicht nur erlaubt, sondern es geschieht sehr häufig. Sich Ortsbeschreibungen anzupassen, kann niemals Diebstahl sein. Literarischer Diebstahl, also Plagiat liegt nur dann vor, wenn man sich wesentliche Bestandteile eines Gedankenwerkes aneignet und diese in der Art verwendet, daß sie dann wesentliche Bestandteile des Werkes des Plagiators bilden und dabei als seine eigenen Gedanken erscheinen. So Etwas habe ich aber nie getan und werde es auch nie tun. Geographische Werke können, besonders wenn sie geistiges Allgemeingut geworden sind, ganz unbedenklich benutzt werden, sofern es sich nicht um das Abschreiben ganzer Druckbogen oder Seitenfolgen handelt und das Werk des Nachschriftstellers trotz des Abschreibens eine selbständige geistige Arbeit bleibt. In der Einleitung zum Voigtländerschen »Urheber- und Verlagsrecht« heißt es:
»Kein Mensch schafft seine Gedankenwelt allein aus sich selbst heraus. Er erbaut sie sich auf dem, was Andere vor ihm oder mit ihm erdacht, gesagt, geschrieben haben. Dann erst, im besten Falle, beginnt seine ureigene Schöpfung. Selbst die am meisten schöpferische Tätigkeit, die des Dichters, steht dann am höchsten, erreicht dann ihre größten Erfolge, wenn sie die Weihe der künstlerischen Form dem gibt, was mit dem Dichter zugleich sein Volk denkt und fühlt. Und nicht einmal die Form ist ganz des Dichters Eigentum, denn die Form wird von der gebildeten Sprache geliefert, »die für dich dichtet und denkt«, und die Manchem, der sich Dichter zu sein dünkt, mehr als die Form, die ihm auch Gedanken oder deren Schein leiht. Kurz, der Schriftsteller und Künstler steht mit seinem Wissen und Können inmitten und auf der Kulturarbeit von Jahrtausenden. Goethe, auf einer einsamen Insel aufgewachsen, wäre nicht Goethe geworden. Ist aber Jemand mit Geistesgaben so begnadet, daß er die Kulturarbeit der Menschheit um einen Schritt hat weiter bringen können, weil er an das von den Vorfahren Geleistete anknüpfen durfte, dann ist es nicht mehr als billig, daß sein Werk zur gegebenen Zeit wieder Andern zu zwanglosem Gebrauche diene, nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form.«
So sagt der Herausgeber des Gesetzbuches, und ihm ist nicht zu widerstreiten. Ich, der ich nicht einmal begangen habe, was er hier gestattet, bin also vollständig gerechtfertigt. Ein anderer schreibt: »Alles ist mehr oder weniger Plagiat an errungener Kultur-, Geistes- oder Phantasieproduktion. Der Intellektadel, die obern Träger der Bildung und Kultur schöpfen ja doch alle mehr oder minder aus einem Reservoir, welches von den Leistungen Anderer, Früherer, Größerer gespeist worden ist.«
In Nr. 268 der »Feder«, der Halbmonatsschrift für Schriftsteller und Journalisten, steht geschrieben: »Aus den Fingern kann sich der populärwissenschaftliche Schriftsteller nun einmal nichts saugen, und bis zu einem gewissen Grade muß deshalb auch Jeder ein Plagiator sein. Wenn das eigentliche Gedankengebäude neu ist, dann ist man wohl berechtigt, passende Zierformen von schon Bestehendem zu gebrauchen. Nach Emmerson ist der größte Genius zugleich auch der größte Entlehner. Es kommt da ganz auf das
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