Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
multipliziere! Welche Verluste! Welch eine ungeheure Summe von Gift und Unheil! Wie viel hunderte, ja tausende von Menschen arbeiten daran, dieses Gift zu erzeugen und zu verbreiten! Und nun schlage man in den Zeitungen, in den Journalen, in den Büchern nach, wen man für das Alles verantwortlich macht, wen man an den Pranger stellt, wen man verachtet, verspottet und verhöhnt! Karl May, Karl May, immer wieder Karl May und nur und nur Karl May! Wo sieht und liest man jemals einen andern Namen, als nur diesen einen? Was habe ich denn getan, daß man mich überhaupt zum Schunde zählt? Wo stecken die zweitausend wirklichen Schundschriftsteller, welche jahraus, jahrein rastlos dafür sorgen, daß in Deutschland und Deutschösterreich der Schund kein Ende nimmt? Vor Gericht, in »wissenschaftlichen« Werken, bei Kommissionssitzungen, in öffentlichen Vorträgen, von Schriftstellern, Redakteuren, Lehrern, Pfarrern, Professoren, Künstlern, Psychiatern, bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten, wo von »Jugendverderbnis« die Rede ist, da bringt man Karl May, Karl May! Er ist schuld, nur er! Er ist der Typus der Jugendvergifter! Er ist der Vater aller ruchlosen Kapitän Thürmers, Nick Carters und Buffalo Bills! Mein Gott, wissen diese Herren denn wirklich nicht, was sie tun? Wie sie sich versündigen? Wie man im Kreise derer, die es besser wissen, von ihnen spricht? Man nenne mir nur einen einzigen Fall, wo vor Gericht wirklich nachgewiesen worden ist, daß Jemand durch eines meiner Bücher verdorben worden ist! Hunderte von Schundgeschichten der verderblichsten Art hat so ein Bube gelesen, dabei auch einen Band oder einige Bände von Karl May. Den kennt man, die Andern aber nicht; darum muß er es sein, dessen Namen man nennt und den man als Täter bezeichnet! Allwöchentlich werden mir von Zeitungsbureaus fünfzig, sechzig und siebzig Zeitungsausschnitte geschickt, auf denen ich an Stelle der sämtlichen deutschen Schundschriftsteller und Schundverleger hingerichtet werde. Das ist unmenschlich! Ich werde mit Schande überhäuft und vor den wirklich Schuldigen zieht man den Hut. Warum nennt man ihre Namen nicht? Warum nagelt man sie nicht fest? Es gibt hunderte von Verlegern und Literaten, die wegen Verbreitung von unzüchtigen Schriften bestraft worden sind. Und noch größer ist die Zahl derer, die in voller Absicht Jugendschund herausgeben, nur um Geld zu machen. Warum nennt man sie nicht? Warum macht man sich zu ihrem Mitschuldigen, indem man ihre Verbrechen an der Jugend und an dem Volke duldet? Warum wirft man sich nicht auf sie, sondern nur auf mich, den Sündenbock für den ganzen literarischen Mob? Sehr einfach: Es ist Mache, nichts als Mache! Und es kann nichts Anderes als Mache sein, weil so viel, wie man auf mich wirft, kein Einzelner zu begehen vermag! Ich habe das im nächsten Kapitel des Näheren zu beleuchten.
Die Anschuldigungen, welche man gegen mich erhebt, sind bisher immer nur Behauptungen gewesen. Zu keiner von ihnen wurde ein wirklicher Beweis erbracht. Ich habe infolge dieser Anschuldigungen Ungezählte meiner Leser brieflich oder mündlich gefragt, ob es ihnen möglich ist, mir eine der Reiseerzählungen oder eine Stelle aus ihnen zu nennen, von der man behaupten darf, daß sie schädlich wirke. Es hat mir Niemand auch nur eine einzige derartige Zeile nennen können. Ist doch sogar meine unerbittlichste Gegnerin, die »Kölnische Volkszeitung«, gezwungen gewesen, mir das Attest auszustellen: 221 »Alles für die Jugend Anstößige ist sorgfältig vermieden, obgleich Mays Werke nicht etwa bloß für diese bestimmt sind: viele tausend Erwachsene haben aus diesen bunten Bildern schon Erholung und Belehrung im reichsten Maße geschöpft!« Schon aus diesem Atteste geht die jetzige »Mache« hervor, denn meine Bücher sind seit jener Zeit genau dieselben geblieben, und derselbe Herr, der dieses öffentliche Zeugnis ausstellte, war der Erste, der dieser Mache erlag und hat sich seitdem nicht wieder aufrichten können.
Zur Zurückweisung der Vorwürfe, die man gegen mich erhebt, sehe ich mich gezwungen, durch Veröffentlichung des nachfolgenden Briefes vielleicht eine Indiskretion zu begehen, die mir der von mir hoch und aufrichtig verehrte Herr aber wohl verzeihen wird. Doktor Peter Rosegger schrieb mir am 2. Juli dieses Jahres aus Krieglach:
»Sehr geehrter Herr!
Meine Notiz im Heimgarten basiert auf der Charlottenburger Gerichtsverhandlung, und sobald wieder das Gericht, und zwar
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